Keine Jobs für Bürgerarbeiter

■ Wirtschaftsinstitut DIW: Ehrenamtliche „Bürgerarbeit“ ist zwar für arbeitslose Akademiker interessant. Anderen hilft sie wenig

Berlin (taz) – Die Rechnung ist einfach. Da gibt es fast fünf Millionen Arbeitslose mit jeder Menge Zeit. Und andererseits jede Menge Arbeit in der Altenbetreuung, bei Notfalldiensten oder in der Familienhilfe. Beides müßte man zusammenbringen können, dachte sich der Münchener Soziologe Ulrich Beck und propagiert seit kurzem die freiwillige „Bürgerarbeit“, eine Art Gemeinwohlarbeit gegen Bezahlung in Höhe des Existenzminimums. Doch die Idee mit der quasi ehrenamtlichen Arbeit für Erwerbslose funktioniert nicht, behauptet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem jüngsten Wochenbericht.

„Bürgerarbeit“ könne „kein sinnvoller Weg zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit“ sein, schreiben die DIW-Sozialforscher. Denn die Klientel der Arbeitslosen unterscheidet sich von den Personengruppen, die vornehmlich ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben. In erster Linie Leute mit guter, oft akademischer Ausbildung sind unbezahlt in sozialen Projekten, Vereinen und Parteien tätig – also nicht gerade Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt schwer unterzubringen sind. „Die wirklichen Problemgruppen des Arbeitsmarktes weisen nur ein sehr geringes ehrenamtliches Engagement auf“, so die DIW-Forscher Gert Wagner und Johannes Schwarze.

Nach den Daten des vom DIW durchgeführten Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) war im Jahre 1996 gut ein Drittel der erwachsenen westdeutschen Bevölkerung ehrenamtlich engagiert, in Ostdeutschland ein Viertel. Von den Erwerbstätigen im Westen waren 40 Prozent, von den Arbeitslosen aber nur 30 Prozent unbezahlt tätig. Im Vergleich zu 1985 hat in Westdeutschland das ehrenamtliche Engagement zwar zugenommen, die Zunahme aber „fand hauptsächlich beim eher sporadischen Engagement statt“, stellten die DIW-Forscher fest. Zwei Drittel der „Ehrenamtlichen“ arbeiteten weniger als einmal in der Woche unbezahlt.

Auch die Erwerbslosen interessieren sich eher für den unverbindlichen, selteneren Einsatz. „Ehrenamtliche Tätigkeit kann also gerade die im sozialen Bereich so wichtige kontinuierliche Bereitstellung von Diensten nicht ersetzen“, resümieren die DIW-Forscher. „Man braucht nicht nur Zeit, sondern auch soziales Kapital, das heißt Kontakte, Organisations- und Teamfähigkeit, um ehrenamtlich tätig zu sein“, betont DIW-Experte Johannes Schwarze. Lediglich für qualifizierte Arbeitslose böte das unbezahlte Engagement eine vorübergehende Möglichkeit, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Etwa die Hälfte der Arbeitslosen im Westen mit Hochschulabschluß waren ehrenamtlich engagiert, aber nur jeder fünfte Arbeitslose ohne Schulabschluß.

Der Soziologe Ulrich Beck hatte im Endbericht der bayerisch- sächsischen Zukunftskommission dafür plädiert, Erwerbsarbeit durch freiwillige „Bürgerarbeit“ zu ergänzen. Darunter versteht Beck Tätigkeiten für das „Gemeinwohl“, die durch ein „Bürgergeld“ in Höhe von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bezahlt werden sollen. „Belohnung“ statt „Entlohnung“ lautet Becks Motto. Im Klartext bedeutet dies, daß Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger durch Bürgerarbeit kaum mehr Geld bekommen, als ihnen schon zusteht.

„Warum sollen gerade Arbeitslose durch niedrig bezahlte Jobs die anderen subventionieren?“ rügt Schwarze. Der DIW-Forscher befürwortet eher soziale Tätigkeiten bei privaten Trägern, deren Niedriglöhne durch öffentliche Mittel aufgestockt werden sollen. Ein solcher „Kombilohn“ allerdings stößt sowohl bei Gewerkschaften als auch bei Finanzpolitikern auf Kritik. Die Gewerkschaften befürchten die Ausweitung der Niedriglöhne, die Finanzpolitik wiederum neue Milliardenausgaben. Barbara Dribbusch

Debatte Seite 12