Asiatische Krise holt Amerika ein

Die 18 Milliarden Dollar, mit denen die Regierung den IWF unterstützen will, werden zum Wahlkampfthema. Rechte wie Linke sind dagegen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Wird Amerika von der asiatischen Krise eingeholt? O ja, und das gleich zweifach. Nicht nur, daß amerikanische Hersteller jetzt noch billigere Konkurrenz und Waren zu Schleuderpreisen aus Asien fürchten. Die asiatische Krise ist auch zum innenpolitischen Zankapfel um die Profilierung der Demokratischen Partei im Wahljahr 1998 geworden.

Vergangene Woche traf sich im Kongreß eine bemerkenswerte Koalition aus „Rechten“ und „Linken“, um gegen die Verabschiedung eines 18-Milliarden-Dollar- Pakets zu protestieren, das die Clinton-Regierung dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Verfügung stellen will. Der soll damit den maroden asiatischen Wirtschaften unter den Arm greifen. Gestern nutzte Finanzminister Rubin einen Vortrag an der Georgetown University, um den Kurs der Regierung noch mal zu erläutern. Die Auseinandersetzung nimmt sich aus wie eine Wiederholung des Streits um Clintons Ermächtigung, neue Handelsabkommen abzuschließen, die im vergangenen Jahr so schmählich baden ging. Es geht um die leidige Globalisierung, ein Reizwort im heutigen Amerika und ein Thema, mit dem die Demokraten in den Wahlkampf ziehen wollen.

Das Thema eignet sich hervorragend für demagogische Polemiken: „Just zu dem Zeitpunkt, da man uns erklärt, daß wir uns mit Kürzungen der Sozialhilfe, der Krankenkassenleistungen und der Renten abfinden müssen, sollen wir ganz auf die schnelle zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar bewilligen. Und wofür? Damit Investoren, die sich wüst verspekuliert, und Banken, die schlechte Kredite vergeben haben, ihr Geld wiederkriegen. Das ist Sozialismus für die Reichen“, erklärt Bernie Sanders, der unabhängige Kongreßabgeordnete aus Vermont, der sich mit konservativen Abgeordneten, Umweltschützern, Gewerkschaftlern und konservativen Think- tanks wie der Heritage Foundation und dem Cato Institut zusammengetan hat. „Die Asiaten werden sich den Weg aus der Krise freiexportieren“, fürchtet auch John Sweeney, amerikanischer Gewerkschaftsvorsitzender. Will sagen: Sie werden die Waren, die Amerikaner heute in den Supermärkten kaufen, noch billiger anbieten, und das hätte Konsequenzen, unter anderem für die amerikanische Fertigungsindustrie.

„Wenn wir wollen, daß die asiatischen Volkswirtschaften auch amerikanische Waren importieren, müssen wir ihnen wieder auf die Beine Helfen“, erklärte dagegen Finanzminister Rubin den Studenten der „School of Foreign Service“, von denen die meisten in den auswärtigen Dienst wollen. Die USA verschiffen 30 Prozent ihrer Exporte in asiatische Länder, in einigen Bundesstaaten sind es sogar 50 Prozent. 20 Prozent der Exporte gehen in asiatische Entwicklungsländer. Von 1990 bis 1997 haben sich ausländische Kapitalinvestitionen in Asien vervierfacht. Bei der Finanzspritze gehe es um die Wiederherstellung von Volkswirtschaften, die im Kern gesund seien, argumentierte Rubin. Und die Beiträge der USA an den IWF kosten den amerikanischen Steuerzahler nichts. „Jedesmal, wenn der IWF auf Gelder zurückgreift, bekommen wir den entsprechenden Betrag zinsbringend gutgeschrieben.“

Die Debatte ist Ausdruck einer eigenartigen amerikanischen Einstellung zum Welthandel, nach der amerikanische Exporte gut, Importe aber schlecht sind. Franz Schurmann, Dozent für Sinologie an der Universität Berkeley und Direktor des Pacific News Service, erklärt die ganze Aufregung um die Asienkrise mit dem Unterschied zwischen Geld und Wert: „Wirtschaft besteht aus Werten, Geld an und für sich hat keinen Wert. Die asiatische Krise ist eine des Geldes. Daran, daß die asiatischen Wirtschaften produzieren, was Amerikaner konsumieren, wird sich so bald nichts ändern.“