Der einzige Ausweg ist die Heirat

■ Bernhard Maurer heiratete Srimani Pathirana, damit sie nicht abgeschoben wird. Die Zahl der politisch motivierten Scheinehen nimmt zu. Die Paare müssen eine funktionierende Partnerschaft vorspielen

Seit drei Jahren hat Bernhard Maurer* ein weiteres Fach in seinem Kleiderschrank eingerichtet: Dort liegen, sauber gestapelt, ein Paar Jeans, T-Shirts und Damensöckchen. Die sind aber nicht für seine Freundin, sondern für seine Frau bestimmt – für seine Ehefrau. Von der besitzt Maurer zwar Kleidungsstücke, weiß aber sonst nicht viel über ihr Leben. Denn die Ehe zwischen dem 30jährigen und Srimani Pathirana besteht nur auf dem Papier. Die beiden haben geheiratet, weil die 28jährige sonst abgeschoben worden wäre.

„Die Heirat war für Srimani die einzige Möglichkeit, daß sie legal in der Stadt bleiben konnte“, sagt Bernhard Maurer. Die Tamilin wurde in Sri Lanka verfolgt, weil sie in ihrer Heimatstadt als Unterstützerin der Tamile Tigers galt. Vor fünf Jahren floh sie nach Deutschland. In Berlin beantragte sie erfolglos Asyl. Täglich mußte sie dann mit der Abschiebung rechnen. Doch auf einer Party lernte sie den Germanistikstudenten Bernhard Maurer kennen. „Wir haben uns mehrmals zum Kaffeetrinken getroffen, und eines Tages fragte Srimani mich ganz direkt, ob ich sie heiraten würde“, erinnert sich Maurer. Der Student war erst etwas geschockt. Doch nach ein paar weiteren Treffen, bei denen die beiden sich gegenseitig „abcheckten“, ging er auf das Angebot ein, und die beiden bestellten das Aufgebot.

„Obwohl ich sie erst so kurz kannte, habe ich ihr irgendwie vertraut, und sie mir auch“, erinnert sich Bernhard Maurer. Er funktionierte seine Ehe im Kopf einfach um: „Heiraten ist sowieso grundverlogen, das hat mit Liebe nur selten was zu tun“, behauptet er. „Viele heiraten nur aus steuerlichen Gründen, ich habe es eben aus politischen gemacht.“ Srimani Pathirana hat durch die Heirat eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis bekommen, nach spätestens vier Jahren Ehe und einem Trennungsjahr kann sie dann auch nach einer Scheidung unbefristet in Deutschland leben.

Doch der Schein muß auch während der Ehejahre gewahrt werden. Weil die beiden zwar jetzt offiziell in einer Wohnung gemeldet sind, inoffiziell aber nicht zusammen leben, müssen sie ständig vorsichtig sein: beim Finanzamt, beim Arzt, beim kurzen Plausch mit den NachbarInnen.

„Ich bin viel empfindlicher geworden“, sagt die Ingenieurin Sybille Klaad, die vor einem Jahr Mustafa Dülk, einen Studenten aus Istanbul, geheiratet hat. „Im Endeffekt muß ich bei jedem Behördengang lügen.“ Auch Sybille Klaad hat ihren Ehemann zufällig über Bekannte kennengelernt. Er suchte eine Frau, weil er kurz vor dem Studienabschluß stand und sonst ausgewiesen worden wäre. „Es war schon seltsam, jemandem so von null auf hundert vertrauen zu müssen“, sagt Klaad im Rückblick. Als Mustafa sie fragte, hatte sie erst ein „komisches Gefühl“ im Bauch: „Obwohl ich mich selbst als sehr aufgeklärt sehe, hatte ich plötzlich rassistische Gedanken“, sagt sie selbstkritisch und lächelt verschämt. „Vielleicht will er doch nur mein Geld, oder eine sexuelle Beziehung mit mir anfangen?“ blitzte es ihr damals durch den Kopf. Doch dann entschied sie sich für die Ehe, aus „Solidarität“, aber auch aus „Abenteuerlust“, wie sie sagt. In ihrem Freundeskreis gebe es derzeit einen „Boom“ von Scheinehen.

Die beiden bastelten sich schon vor der Hochzeit eine detaillierte Legende. Denn stimmt diese beim Gang zur Ausländerbehörde nicht, dann drohen dort detaillierte Befragungen – die, fallen sie negativ aus, schlimmstenfalls zu einer Ausweisung führen.

„Der beste Schutz für uns ist, so weit es geht bei der Wahrheit zu bleiben“, sagt Bernhard Maurer. Die Geschichte des Kennenlernens möglichst authentisch zu erzählen und einfach ein bißchen Liebe dazuzudichten. Und es heißt, offensiv mit der Heirat umzugehen. „Es ist auffällig, wenn du den Ehepartner bei der Arbeit verschweigst“, hat Sybille Klaad erfahren. Sie trägt bei jedem Behördengang ihren Ehering.

Deshalb feierte die 32jährige ihre Hochzeit mit Mustafa Dülk auch höchst offiziell. Sie lud ihre besten FreundInnen, die alle von der Zweckheirat wußten, ins Standesamt. Nach der Trauung gab es Reis und Blumen, Erinnerungsbilder fürs Fotoalbum wurden geschossen. Bei Bernhard Maurer und Srimani Pathirana war der Kuß und die Umarmung in diesem Moment sogar echt: „Ich war nach der Zeremonie so erleichtert, die Anspannung war weg, da bin ich ihr richtig in die Arme gefallen.“

Bei beiden Paaren ist die Ehe bisher glimpflich abgelaufen. Weder gab es Konflikte mit den tatsächlichen Liebesbeziehungen noch Verdachtsäußerungen bei den Behördengängen. Doch: Aussteigen, Scheidung, ist tabu. „Wenn ich mich vorzeitig trennen wollte, dann ist das Leben meiner Frau möglicherweise in Gefahr“, sagt Bernhard Maurer.

Trotz der etwas umständlicheren Lebensweise, des etwas unsicheren Gefühls bei der alltäglich gestellten Frage, ob sie verheiratet seien, bereuen sie die Heirat nicht. „Eine Zweckheirat ist mittlerweile oft der einzige Weg, wie Nichtdeutsche dauerhaft in Deutschland leben können“, sagt Bernhard Maurer. Dafür hat er gerne ein paar fremde Kleidungsstücke in seinem Schrank. Julia Naumann

* Alle Namen von der Redaktion geändert