■ Nachschlag
: „Junge Hunde“: Nachwuchskünstler zu Gast in der Neuköllner Oper

Veranstaltungen zur Förderung sängerischer Talente sind oft zweifelhafte Vergnügen. Im günstigsten Fall ist der sogenannte Nachwuchs selbstbewußt und gleicht stimmliche Defizite durch forsche Posen aus, im schlimmsten Fall erlebt das Publikum zu einem schweißtreibenden Abend, bei dem um das Wohl der Debütanten und derem glücklichen Abgang gebangt werden muß.

Daß es anders geht, zeigt die Reihe „Junge Hunde“, mit der die Neuköllner Oper gleich aus mehreren Nöten eine Tugend macht. Der Opernnachwuchs kann sich hier ohne die üblichen Verklemmungen präsentieren, mit Einfallsreichtum und ohne viel Geld. Nur wenig Ausstattung braucht es – eine alte Schulbank, drei Stühle und eine Klappe im Boden. Ein szenisches Korsett (Regie: Dirk Rave) zwingt Musik von Haydn bis Bredemeier programmatisch zusammen, Bilder aus Arztpraxis und Café parodieren den ursprünglichen Sinn der Musik. „Ich küsse Ihre Hand Madame“, singt Daniel Lager als Pharmavertreter – mit süßer Sopranstimme allerdings, was noch schleimiger wirkt, als der Schlager ohnehin schon ist. Aber auch die sogenannte Hochkultur bleibt nicht verschont: fährt doch Don Giovanni (Ingmar Bueb) aus der Bodenluke empor wie sonst der Teufel selbst. Lächerlich, wie er um seine Angebetete scharwenzelt („Reich mir die Hand mein Leben“). Der alternde Hedonist muß in die Bodenklappe zurück, von wo aus er lautstark protestiert („Ach ich hab' sie ja nur auf die Schulter geküßt“).

Das musikalische Niveau ist ordentlich, zuweilen sogar glanzvoll (Tina Hörhold in all ihren Rollen). „Junge Hunde“ ist ein erfreuliches Beispiel, wie mit Ideen finanzieller Mangel kompensiert werden kann. In dieser Kunst sollte die Neuköllner Oper es allerdings nicht zu weit treiben. Sonst wird sie als Vorzeigesparschwein des Kultursenats bald zu Tode gemagert. Christine Hohmeyer

Weitere Vorstellungen am 30./31. Januar und am 6./7. Februar, jeweils 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131–133