"Mit Schecks wedeln reicht nicht"

■ Nur noch den großen Sendern das Sagen in der ARD! So hätten's MDR-Chef Reiter und NDR-Chef Plog gern. Doch Fritz Raff vom kleinen Saarländischen Rundfunk hat andere Pläne

taz: Herr Raff, in ihrer Nachbarschaft fusionieren gerade SWF und SDR zur neuen Großanstalt Südwestrundfunk. Ist es da nicht absurd, daß sich das kleine Saarland einen eigenen Sender leistet?

Fritz Raff: Wenn ich sehe, was sich mit der neuen Südwestanstalt entwickelt, bin ich mir nicht mehr sicher, ob wir von der Größenordnung her so kritikwürdig sind. Für die Fusion waren vorwiegend politische Gesichtspunkte entscheidend: Die Grenzziehung in Baden- Württemberg zwischen SWF und SDR war ja für niemanden mehr nachvollziehbar. Ums Sparen ging es aber nicht in erster Linie. Der SR ist zwar teurer als ein Landesfunkhaus, aber preisgünstiger als fast alle anderen Anstalten. Wir haben in den vergangenen Jahren seriös gewirtschaftet und leben in gesicherter Armut.

Und mit Hilfe von 97 Millionen Mark aus dem ARD-Finanzausgleich, in den die großen Sender einzahlen.

Man soll nicht so tun, als würden die Gelder aus dem Finanzausgleich irgendwo versacken. Wir zahlen dafür allein für ARD-Gemeinschaftsaufgaben, das Haupt- und Vorabendprogramm 53 Millionen, für Südwest3 22 Millionen und sechs Millionen für Deutschlandradio, arte, Kinder- und Parlamentskanal. In den Altersversorgungs-Finanzausgleich zugunsten von Anstalten wie HR, NDR, SWF, SFB und RB zahlen wir jährlich 1,2 Millionen Mark bis 2016 – aus der Laufzeit wird deutlich, welche lange Lebensdauer uns noch vorhergesagt wird.

Dennoch sind Sie es, der auf den Finanzausgleich angewiesen ist.

Der Föderalismus ist keine Frage von betriebswirtschaftlichen Größen, sondern von Strukturen, die sich historisch entwickelt haben. Der SR hat eine identitätsstiftende Bedeutung, die nicht betriebswirtschaftlich kalkulierbar ist.

Der ARD-Vorsitzende und MDR-Chef Udo Reiter hat gefragt, wo die kleinen Sender im Ersten überhaupt noch auftauchen.

Da hat er wohl nicht genau hingesehen. Mit „Kein schöner Land“ hat der SR die populärste Volksmusiksendung im deutschen Fernsehen – ich sage Volksmusik und nicht volksdümmliche Musik. Der SR ist siebenmal im Jahr bei „Plusminus“ dabei und beim Tatort mit Kommissar Palü vertreten. Mit der Grass-Verfilmung „Die Rättin“ und der Tour-de-France-Berichterstattung haben wir gezeigt, daß wir auch Highlights besetzen können.

Vom Ersten produzieren Sie gerade mal 2,5 Prozent.

Wir haben genauso eine Farbe wie andere. Mit unserem kleinen Anteil am Ersten haben wir es naturgemäß schwerer, uns durch ständig wiederkehrende Sendungen ein Profil zu erhalten. Deshalb fände ich es gut, wenn nicht jede Anstalt darauf beharren würde, in allen Programmgattungen ihre Quote als ihren Anteil am Fernsehvertrag zu erfüllen. Ob Kinderprogrammm, Fernsehspiel, Unterhaltung, jeder macht bislang alles seinem Anteil entsprechend. Ich schlage statt dessen vor, daß sich einzelne Anstalten auf Schwerpunkte festlegen. Dann könnte jeder seine Stärke im ersten Programm besser ausspielen.

Zwei neue Seifenopern produzieren und bezahlen WDR und MDR, den Vertrag mit Moderator Reinhold Beckmann haben WDR, NDR, BR und MDR abgeschlossen. Sind das nicht Beweise, daß diese „Leistungsträger“ zunehmend das erste Programm bestimmen, wie NDR-Chef Jobst Plog meint?

Da geht es um die gemeinsame Garantiesumme für Beckmann. Im übrigen finde ich es gut, wenn die wirtschaftlich Starken sich einbringen. Bei Programmen wie der „Sendung mit der Maus“, der „Lindenstraße“ oder „Liebling Kreuzberg“ ist der SR auch weiter in der Finanzierung drin.

Wenn in der ARD Chefredakteure, Programmdirektoren und Intendanten abstimmen, haben alle elf je eine Stimme. Mit Hinweis auf das unterschiedliche Gewicht der Sender hat Udo Reiter das gleiche Stimmrecht in Frage gestellt.

Ich bin skeptisch, ob eine Änderung richtig und durchsetzbar wäre. Man kann natürlich über eine Art Bundesrats-Modell diskutieren, nach dem, anders als in der ARD, auch die Kleinen mal den Vorsitz führen. Ich zweifle, ob das Modell auf die ARD paßt. Im übrigen haben viele völlig falsche Vorstellungen von Intendantensitzungen. Das ist keine Hauen und Stechen, da wird gesittet diskutiert und dann abgestimmt. Ein Narr, wer glaubt, dabei ginge es stets um groß und klein. Häufig finden die Großen mit ihren Muskelspielen schwer zueinander, ja blockieren sich. Natürlich glaubt so mancher, daß in einer kleinen Runde mit nur wenigen Großen leichter Kuhhandel betrieben werden kann. Jedoch hat die Innovationskraft der kleinen Anstalten über die Jahrzehnte mit zum Erfolg der ARD beigetragen. Wenn die Großen mit dem dicken Scheck wedeln, bringt das noch keine Programmerfolge. Interview: Georg Löwisch