„Mehr keynesianische Rezepte“

■ Kazuo Nukazawa vom japanischen Wirtschaftsverband Keidanren zur Rolle Japans in der asiatischen Krise und Nippons eigenen Problemen

taz: Was halten Sie von Schuldzuweisungen wie der des US-Finanzministers Robert Rubin, Japan sei in großem Maße mit für die jetzige Krise in Südostasien verantwortlich zu machen?

Kazua Nukazawa: Da ist was dran. Denn das Platzen der japanischen Spekulationsblase 1992 und unsere anhaltende wirtschaftliche Schwäche haben den asiatischen Ländern nicht geholfen. Dabei hatte Japan im Jahr 1996 mit 3,5 Prozent sogar das höchste Wirtschaftswachstum unter den Industrieländern. Japan braucht aber ein stabileres Wachstum. Das haben wir leider nicht erreicht. Wir werden den asiatischen Ländern jetzt helfen, in dem sie mehr japanische Investitionen bekommen.

Wie will Japan den südostasiatischen Ländern helfen, wenn es wie seine Nachbarländer nur versucht, die Krise durch Exporte zu überwinden? Müßte es nicht mehr importieren?

Im Verhältnis zu den Währungen der ost- und südostasiatischen Länder steigt der Wert des Yen. Er wird zum Jahresende auch gegenüber dem Dollar an Stärke zugelegt haben. Beim Export werden japanische Produkte also gegenüber denen aus Ost- und Südostasien aufgrund der dortigen Abwertungen weniger wettbewerbsfähig sein.

Was unsere Importe angeht, so stimmt es, daß sie um zwei bis drei Prozent zurückgegangen sind. Aber die vergrößerte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber japanischen Produkten wird den asiatischen Ländern künftig auch auf unserem Markt helfen.

Eine Hauptursache der fernöstlichen Wirtschaftskrise ist die mangelnde Transparenz im Bankensektor. Vor zwei Wochen hat das Finanzministerium in Tokio eingeräumt, daß die faulen Kredite der japanischen Banken mit 76,7 Billionen Yen (rund eine Billion Mark) fast dreimal so hoch sind, wie noch im Dezember behauptet. Ministerpräsident Ryutaro Hashimoto hat darauf ein 400-Milliarden-Mark-Programm zur Stabilisierung der Banken angekündigt. Hat Japan die gleichen Probleme im Finanzsektor wie die Krisenstaaten?

Nein. Es hat einen Mangel an Transparenz gegeben, aber die Regierung hat die japanischen Anleger wie in den vergangenen vier Jahrzehnten geschützt. Selbst jetzt bei den zwei, drei großen Pleiten sind die Anleger sicher. Vom nächsten Jahr an wird es mehr Transparenz geben, und ab dem Jahr 2001 will die Regierung den Anlegern nicht mehr helfen. Das heißt, sie selbst müssen dann dafür Verantwortung tragen, wo sie ihr Geld anlegen. Und das werden sie wahrscheinlich dort machen, wo die Transparenz größer ist. Die Transparenz in Asien und in Japan wird wachsen. Was die faulen Kredite von 76,7 Billionen Yen angeht, so kann man natürlich nicht davon ausgehen, daß sie alle komplett verloren sind, das wäre völlig unrealistisch.

Reicht die kürzlich von Ministerpräsident Ryutaro Hashimoto angekündigte Senkung der Einkommensteuer aus, um die Inlandsnachfrage zu beleben, wie dies seit Jahren auch die USA angesichts der hohen japanischen Handelsbilanzüberschüsse fordern?

Die Investitionsquote in Japan ist nach wie vor höher als in Europa oder den USA. Wir sind ein Land mit hoher Spar- und hoher Investitionsquote. Im Vergleich zu den Spitzenjahren sind die Investitionen allerdings gesunken. Wir könnten ruhig etwas mehr keynesianische Rezepte anwenden.

Aber den Vereinigten Staaten, die sich im Prozeß der fiskalischen Konsolidierung befinden, steht es nicht an, Japan aufzufordern, mehr Schulden zu machen. Denn die US-Regierung versucht gleichzeitig ihre eigenen Bürger davon zu überzeugen, daß die Staatsverschuldung abgebaut werden muß. Interview: Sven Hansen