■ Nachschlag
: De Beauvoir und Sartre als Paradeliebe neu beschworen

Sie: „Ich liebe Sie so sehr, mein zarter Kleiner, heftiger denn je. Und ich werde Sie wiedersehen. Ich liebe Sie und umarme Sie leidenschaftlich, Sie, der mein Leben so schön gemacht hat.“ Und er: „Sie sind ich. Ich bin ganz gerührt von Ihnen, ich liebe Sie. Ich habe nie so stark gespürt, daß unser Leben keinen Sinn mehr hat außerhalb unserer Liebe und daß nichts etwas daran ändert, weder Trennung noch Verliebtheiten, noch der Krieg. Sie sagten, das sei ein Erfolg für unsere Moral, aber es ist genauso ein Erfolg für unsere Liebe.“

Das war 1939. Die beiden waren seit zehn Jahren ein Paar. Sie blieben es weitere vierzig Jahre. Ihre Liebesgeschichte wurde zur Paradebeziehung, an deren Nachahmung eine wohl unendliche Zahl entschlossener Nachahmerpaare heroisch gescheitert sind. Totale Freiheit statt verlogener Treueschwüre, beliebige freie Verliebtheiten neben der einen großen Lebensliebe: „Bei uns beiden“, erkannte Sartre gleich zu Beginn, „handelt es sich um eine notwendige Liebe: es ist unerläßlich, daß wir auch die Zufallsliebe kennenlernen.“ Von de Beauvoir aufs knappste kommentiert: „Wir waren von gleicher Art, und unser Bund würde so lange dauern wie wir selbst.“

Walter van Rossum hat diese Paradeliebe in einem jüngst in der „Paare-Reihe“ bei Rowohlt Berlin erschienenen Band neu beschrieben, aus dem Juliane Bartel und Otto „die Stimme“ Sander am Sonntag abend im Rahmen des „Biographischen Salons“ im Hotel Savoy vorlasen. Meist fern von abgedroschener Legendensüßlichkeit komponiert van Rossum knapp und lakonisch die „Lebens-als- Liebesstationen“ der beiden zusammen – ganz nebenbei mit Fehlurteilen wie dem vom leidenden Heimchen de Beauvoir aufräumend, die unter dem Allesficker Sartre gelitten habe und jene „Zufallslieben“ nur aus aufgesetztem Willen zur Untreue betrieben habe.

Juliane Bartel und Otto Sander lesen das alles ganz wunderbar. Vor allem anzügliche Stellen über den „Philosophen als Ficker“ und Deflorationsmeister liest Sander brummend angetan. Juliane Bartel beäugt ihn pikiert von der Seite, und dann liest die unvergleichliche Stimme: „Wenn einer von uns am Ende einer hitzigen Diskussion lauthals triumphierte, sagte er zum andern: ,Sie sind in Ihrer kleinen Kiste! ... Sie werden nicht herauskommen, und ich werde Ihnen nicht dorthin folgen: selbst wenn man mich neben Ihnen beerdigt, wird kein Weg von Ihrer Asche zu meiner führen.'“ Volker Weidermann