Der Nigerianer, der Kästner liebt

■ Nigerianische Lyriker stellten im Bürgerhaus ihre Arbeit vor

ielleicht sind es die AutorInnen Afrikas, die Menschen hierzulande dazu bringen, wieder mehr Gedichte zu lesen. Zur „Nigerian Poets Night“, die im Rahmen der 22. Literarischen Woche stattfand, strömten jedenfalls mehr als 100 BesucherInnen.

Gespannt lauschten sie den Worten von Elias Dunu, Godwin Ede und Uche Nduka. Alle drei stammen aus Nigeria, jenem Land, dessen Militärregierung 1995 Ken Saro-Wiwa hinrichten ließ und den Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka steckbrieflich suchen läßt.

Elias Dunu, Godwin Ede und Uche Nduka leben und arbeiten zur Zeit in Deutschland, in Sicherheit also. Anders als Ogaga Ifowodo, dem sie ihre Lesung widmeten. Der 34jährige Ogaga Ifowodo, Jurist, Schriftsteller und Leiter des Menschenrechtprojektes der „Civil Liberties Organisations“, wurde am 6. November vom nigerianischen Geheimdienst festgenommen und befindet sich seither in Isolationshaft.

Auf drei- bis vierhundert schätzt Elias Dunu die Zahl der Schriftsteller und Journalisten, die derzeit in nigerianischen Gefängnissen festgehalten werden. „Alpträume schießen aus Dünen wie Pilze aus dem Boden / Alpträume gekleidet in grüne Gewänder / Alpträume in schwarzen Stiefeln...“Mit diesen Zeilen aus dem Gedichtzyklus „Naked Landscape“, der soeben bei Yeti Press erschienen ist, beschreibt Elias Dunu die lähmende Angst vor Verfolgung, die selbst für ihn in Deutschland allgegenwärtig ist: Denn seine Aufenthaltserlaubnis läuft ab, sobald er an der Universität Hannover, wo er als Gastdozent tätig ist, seine Doktorarbeit beendet hat.

Godwin Ede studiert derzeit Anglsitik und Soziologie an der Universität von Hannover. Uche Nduka, dem 1997 der Nigerian National Poetry Prize zuerkannt wurde, weilt als Gastkünstler in Deutschland und wird demnächst nach Bremen ziehen. Der erst 35jährige Autor gehört wie Dunu und Ede dem Verband nigerianischer Autoren an, der sich für die Demokratie in Nigeria einsetzt und Schriftsteller im Exil unterstützen will.

Was bedeutet es für einen Schriftsteller, im Exil zu sein? Eine Frage, die die drei Autoren unterschiedlich beantworten. Godwin Ede versteht sich als Wanderer zwischen den Welten. Er müsse nicht in Nigeria leben, um arbeiten zu können, meint er. Doch müsse es möglich sein, ab und an hinzufahren. Elias Dunu würde gern zurückkehren: „In meiner Heimat bekomme ich Nahrung“, sagt er. Dies, obwohl er angefangen hat, in deutscher Sprache zu denken und sogar zu schreiben. Und daß Elias Dunu ein Kästner-Fan ist, ist manchen seiner Gedichte anzumerken.

„Warum sollte ich mir ein Haus in Nigeria bauen, wenn sie mich dort nicht haben wollen“, parierte Uche Nduka die Frage nach dem Leben im Exil. „Ich habe ein Bein drin und ein Bein draußen, ich kann ja nicht einmal wählen. Das macht mich so unsicher. Trotzdem bleibt Nigeria meine Heimat.“

Daß man selbst im eigenen Heimatland im Exil sein kann, betonte Chenjerai Hove, einer der renommiertesten Schriftsteller Afrikas. Er lebt in Harare, der Hauptstadt von Zimbabwe, die erst vor wenigen Tagen von heftigen Aufständen geschliffen wurde. Schriftsteller, die weniger bekannt seien, liefen in Zimbabwe durchaus Gefahr, festgenommen zu werden. Ein Unterschied zu Nigeria, ergänzte Ede: „Bei uns ist es egal, wer du bist. Wenn sie dich fressen wollen, braten sie dich auf dem Rost. Je fetter du bist, umso besser.“

Unterschiede, die von dem Begriff „Afrikanische Literatur“nicht erfaßt werden. Ihre Vielfältigkeit aber und ihr Reichtum wurde selbst an diesem Abend deutlich, an dem die Vortragenden aus demselben Land stammen. „Afrikanische Literatur ist eine Performance“, erklärte Hove dieses Phänomen aus der langen afrikanischen Tradition der mündlichen Erzählkunst heraus. „Europäische Literatur ist demgegenüber eine intellektuelle Übung. Sie besteht aus Worten. Wir sehen die Bewegung.“

Dora Hartmann