„Ich habe gelernt, mich richtig reinzubeißen“

■ Nach dem knappen Viertelfinal-Sieg gegen Sanchez-Vicario bei den Australian Open wähnt sich Tennisprofi Anke Huber wieder einmal auf dem Weg zur Spitze. Kiefer scheidet aus

Berlin (taz) – Anke Huber sollte öfters ins Kino gehen. Bereits vor ihrem Sieg gegen die Südafrikanerin Amanda Coetzer im Achtelfinale vergnügte sie sich vor einer Melbourner Leinwand, im Viertelfinale gegen die Weltranglisten- Achte Arantxa Sanchez-Vicario wählte sie die gleiche Vorbereitung. Mit Erfolg. 7:6 (9:7), 7:5 hieß es gestern für die Nummer zehn der Setzliste, die zum zweiten Mal in ihrer Karriere im Halbfinale der Australian Open steht. „Es war mein bestes Match draußen seit langer Zeit“, sagte Huber anschließend, „ich habe heute sehr clever gespielt. Und ich war geduldig und bereit, das hohe Tempo mitzugehen.“ In der Tat überzeugte Huber (23) durch eine konzentrierte und spielerisch eindrucksvolle Leistung. Vor allem die schwache Vorhand von Sanchez-Vicario nutzte sie geschickt: Sie spielte sie ein ums andere Mal an, um dann auf der Rückhandseite zu punkten. Als es eng wurde und die Spanierin ihren gewohnten Kampfgeist zeigte, offenbarte Huber ihre neu gewonnene Stärke: „Ich habe gelernt, mich in den entscheidenden Phasen richtig reinzubeißen und dranzubleiben.“

Das sind Fähigkeiten, die sie in ihrer neunjährigen Profikarriere, vor allem aber im letzten Jahr schwer vermissen ließ. Nachdem sie sich 1996 bis ins Finale der Australian Open spielte, danach drei ihrer insgesamt zehn Turniererfolge feierte und sogar bis auf Platz vier der Weltrangliste kletterte, kam 1997 der große Einbruch. Es hagelte Erstrundenniederlagen, erstmals seit 1992 blieb sie ohne Turniersieg, und auch mit dem Fed Cup Team gab es einige Querelen. Ende 1997 fand sich Huber auf Weltranglistenplatz 14 wieder.

Diese Krise will sie abhaken, und so demonstriert sie beim ersten Grand Slam-Turnier dieser Saison auch nach außen einen Neubeginn. Sie trägt mittlerweile ein neues Outfit (ganz in Schwarz oder Weiß), eine neue Frisur (Kurzhaarschnitt) und will damit auch neues Selbstvertrauen transparent machen. Die Siege gegen Coetzer und Sanchez-Vicario haben sie bestätigt, und auch gegen die Weltbeste Martina Hingis, die Mary Pierce 6:2, 6:3 bezwang und im Halbfinale wartet, glaubt sie an sich: „Ich kann sie schlagen.“

Schon jetzt ist sie die erfolgreichste der 19 deutschen Tennisprofis, die in Melbourne an den Start gingen. Als vorletzter Deutscher schied gestern Nicolas Kiefer gegen den Franzosen Nicolas Escude mit 6:4, 6:3, 4:6, 1:6, 2:6 aus (im zweiten Viertelfinale bezwang Marcelo Rios den Spanier Alberto Berasategui 6:7, 6:4, 6:4, 6:0).

Somit bleibt also den Deutschen bloß Huber. Die tut, was sie kann. An der Vorbereitung wird es jedenfalls nicht liegen, wenn sie morgen scheitert. „Diesmal“, teilte sie fröhlich mit, „sehe ich mir ,Scream II‘ im Kino an.“ Gerald Kleffmann