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Serbien zweigt Geld ab

Währungsfonds und Weltbank gilt das Land als nicht kreditwürdig: Inflation galoppiert, Arbeitslosigkeit steigt  ■ Von Karl Gersuny

Wien (taz) – Wer hatte im vorigen Jahr das höchste Wirtschaftswachstum in Europa? Natürlich Serbien mit 7,4 Prozent Zuwachs, brüstet sich das Regime in Belgrad. Glaubt man der staatlichen Propaganda, gehört Serbien nach Tschechien, Polen und Ungarn zu den „reformfreudigsten Staaten Osteuropas“ mit niedriger Inflation, geringer Auslandsverschuldung und einem immer höheren Lebensstandard.

Dies widerlegen die realen Zahlen: Im Vergleich zur Wirtschaftslage während der Kriegswirren in Kroatien und Bosnien zwischen 1991 und 1994 hat sich die Lage in den vergangenen zwei Jahren selbstverständlich verbessert, doch noch immer liegt das Balkanland weit hinter dem wirtschaftlichen Niveau der achtziger Jahre zurück. Das Bruttosozialprodukt beträgt derzeit 1.550 Dollar pro Einwohner jährlich, gegenüber 2.850 Dollar 1989 und 3.600 Dollar 1983. Spät rächt sich, was bei Ausbruch des jugoslawischen Krieges von vielen ausländischen Beobachtern als allzu geringe „Strafaktion“ des Westens gegenüber dem Belgrader Regime getadelt wurde, nämlich die Verhängung der Wirtschaftssanktionen durch die UNO. Obwohl die internationale Handelsblockade mit dem Friedensvertrag von Dayton bereits vor zwei Jahren aufgehoben wurde, wirken heute neue unsichtbare Sanktionen nach.

Zahlreiche ausländische Wirtschaftspartner haben keine neuen Handelsbeziehungen mit Belgrad mehr aufgenommen, einige EU- Staaten fanden in der Zwischenzeit neue Märkte, die USA machen eine neue Zusammenarbeit von der Kooperationsfreudigkeit Belgrads mit dem internationalen UNO-Kriegsverbrechertribunal und einem Dialog mit der albanischen Minderheit im Kosovo abhängig. So lange verwehrt Washington den Zugang zu Krediten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, und serbische Guthaben bei US- Banken bleiben eingefroren. Damit kann Belgrad auch keine Anleihen zur Finanzierung des Außenhandels, für Modernisierungen, Wirtschaftsreformen oder als Zahlungsbilanzhilfe aufnehmen.

Am fatalsten wirkt sich jedoch der Verlust der Mitgliedschaft in IWF und Weltbank als Folge der UNO-Sanktionen aus. Dies kann nun nicht schlicht zurückgenommen werden, sondern das Land muß einen neuen Beitritt beantragen. Und da blockieren die Verantwortlichen in der internationalen Finanzwelt. Derzeit stehen erst einmal Verhandlungen mit der Minirepublik von Palau, Ozeanien, an. Erst im kommenden Sommer will man sich Serbien widmen. IWF-Angaben zufolge ist für 1998, nach einem Jahr kleiner Erfolge, wieder keine Erholung der serbischen Wirtschaft in Sicht. Die Arbeitslosen werden auf 850.000 geschätzt, hinzu kommen 700.000 Teilzeitbeschäftigte. Mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer darbt unter der offiziellen Armutsgrenze und lebt mit weniger als 50 Mark im Monat – bei rasant steigender Inflation seit Jahresbeginn.

Der Kurs des Dinars verliert fast täglich an Wert, nach zwei Jahren eines stabilen Wechselkurses im Verhältnis 1:5 gegenüber der Deutschen Mark. Schon gibt es Gerüchte, daß der erste Weltbankkredit in Höhe von 17 Millionen Dollar, der vergangene Woche der neuen bosnischen Serbenregierung für den Wiederaufbau kriegszerstörter Häuser und landwirtschaftlicher Einrichtungen in Banja Luka zur Verfügung gestellt wurde, ins serbische Mutterland abgezweigt wurde – um den rasanten Fall des Dinars und einen drohenden Währungszusammenbruch zu stoppen.

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