"Der Waigel soll den Mund halten"

■ Das Bischofswort zur Abtreibung sorgt für Ärger in Bonn. Theo Waigel (CSU) will Gelder für katholische Beratungsstellen geben - auch ohne Schein. Das sei "bar jeden Sachverstands", kommentiert Renate Schm

Berlin (taz) – Die Bischöfe haben gesprochen – und schon kündigt sich Streit in Bonn an. Daß die katholische Kirche bis 1999 aus der gesetzlichen Schwangerenberatung mit Beratungsschein aussteigen möchte, aber trotzdem weiter staatliche Gelder kassieren will, unterstützt CSU-Chef Theo Waigel. „Drohungen mit einer Sperrung der Mittel sind der völlig falsche Weg“, erklärte er am Mittwoch in Bonn. Im Bayernkurier forderte er, die außerkirchlichen Beratungsstellen müßten „dazu angehalten werden, künftig noch entschiedener als Beratungsziel das Ja zum Leben zu verfolgen“.

„Der soll seinen Mund halten“, donnerte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt. Waigels Äußerungen seien „bar jeden Sachverstands“, sagte sie gestern in München. Sie lehnt Neuverhandlungen zum Paragraph 218 ab. Die Bischöfe hatten am Dienstag erklärt, die katholischen Beratungsstellen für Schwangere würden ab 1999 keine Scheine mehr ausstellen, auf denen die Beratung dokumentiert ist. Das Gesetz schreibt aber vor, daß nur straffrei abtreiben kann, wer einen solchen Schein vorweist.

Brüskiert von den katholischen Bischöfen fühlen sich in Bonn jetzt Politikerinnen aller Parteien, die 1995 den mühsamen Kompromiß zur Abtreibung ausgehandelt hatten. „Für eine Verschärfung des Paragraph 218 stehen wir nicht zur Verfügung“, sagte Inge Wettig- Danielmeier gestern zur taz. Die SPD-Schatzmeisterin war einst überzeugte Gegnerin einer Zwangsberatung. Unter dem Druck der Bischöfe ist sie nun allerdings bereit, „in bestimmten, schmalen Bereichen“ mit sich „reden“ zu lassen. So könne sie sich vorstellen, den katholischen Beraterinnen die Ausstellung des Scheins zu ersparen. „Die Schwangere könnte sich beraten lassen und darüber beim Arzt eine eidesstattliche Erklärung abgeben. Damit fiele der Schein weg. Das wäre auch eine Erleichterung für die schwangeren Frauen.“

Dieser Vorschlag „Eid statt Schein“ geht auf einen vagen Vorschlag der Bischofskonferenz zurück und ist auch unter Parteikolleginnen umstritten. Edith Niehuis (SPD), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie und Frauen, lehnte es gestern entschieden ab, überhaupt mit Kirchenvertretern zu verhandeln. Wer 1995 den Kompromiß zum Paragraph 218 ausgehandelt habe, der wisse, daß es „überhaupt keinen Spielraum“ für Gespräche mit der Kirche gebe.

Die Grünen reagieren mit Ironie. Rita Grießhaber, frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, sagte, der Kirche könne das „Schein-Dilemma“ leicht erspart werden, wenn die Beratungspflicht ganz aufgehoben würde. Die Katholikin und kirchenpolitische Sprecherin der Grünen, Christa Nickels, kann sich nur in einem Punkt Gespräche mit der Kirche vorstellen: Wenn zukünftig eine Erklärung der Schwangeren über die Beratung ausreichen würde, hält Nickels dies für eine Verbesserung für die Frauen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß es weder eine neue Paragraph-218-Debatte gebe noch das Gesetzespaket aufgeschnürt werde oder gar das Bundesverfassungsgericht tätig werden müsse. Die Politik sei „derzeit nicht gefordert“, erklärte Maria Eichhorn (CSU), die in der CDU/CSU-Fraktion die Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend leitet. Man müsse jetzt die Vorschläge der Kirche abwarten, wie sie in der gesetzlichen Beratung bleiben wolle.

Die FDP lehnt ab, noch einmal an der Abtreibungsfrage zu rütteln. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte gegenüber der taz: „Wenn die katholische Kirche aus dem Paragraph 218 aussteigt, dann bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als ihren Beratungsstellen die Gelder zu streichen.“ Streit in der Bonner Koalition konnte auch ihre Parteikollegin Ida Albowitz nicht ausschließen. Auch sie hat am Abtreibungskompromiß von 1995 mitgearbeitet und meint: „Wir brauchen das Geld, das wir haben, für den Ausbau der Beratungsstellen auf gesetzlicher Basis. Wenn jetzt eine Beratung ohne Schein finanziert werden soll, dann stoppen wir das aus.“ Constanze v. Bullion,

Bettina Markmeyer