: Profit in der Grauzone
■ Fernsehwerber und Sender fahnden ständig nach immer neuen Schleichwegen, um die gesetzlichen Beschränkungen zu umgehen
Früher war ja vieles einfacher. Auch das mit der Fernsehwerbung. War eine Sendung vorbei, marschierten da beim ZDF die drolligen Mainzelmännchen auf, rollten ein Transparent aus, und schon wußte man, daß jetzt – so hieß das damals noch – Reklame kam. Die nächste Sendung im sogenannten Werberahmenprogramm begann dann ein paar Minuten später. Auf diese Regel war Verlaß.
Als dann vor zwölf Jahren erstmals kommerzielle Rundfunkanbieter auf die deutschen Schirme durften, bei denen logischerweise alles Werberahmenprogramm ist (ja, auch Ihr Film, Herr Wedel!), änderte sich einiges. Aber so viel zunächst auch wieder nicht. Zwar mußte man nun rund um die Uhr mit Reklame rechnen, aber der Rundfunkstaatsvertrag von 1987 erlaubte den Privaten nur einen Anteil von maximal 20 Prozent Werbung am Gesamtprogramm und untersagte Werbeunterbrechungen bei Sendungen unter 60 Minuten. Weshalb auch bei RTL und Sat.1 anfangs die gute alte Scharnierwerbung dominierte. So nennt sich das, wenn Werbeblöcke zwischen zwei Sendungen plaziert sind.
Die 20-Prozent-Norm hat bis heute Bestand, während die 60-Minuten-Grenze 1991 merklich gelockert wurde. Daher dominiert heute eindeutig die Unterbrecherwerbung, der Spot mitten in der Sendung. Wann, wo und wie häufig die Privaten welche Programme unterbrechen dürfen, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren (Länge der Sendung, Uhrzeit, Genre, Zielgruppe etc.) ab, deren Einhaltung von den Kontrolleuren der Medienanstalten mehr oder weniger penibel überwacht wird. Verstöße werden in der Regel mit Bußgeldern geahndet, die auch schon mal etwas saftiger ausfallen, wie jüngst bei RTL, das 20 Millionen Mark für seine Tricks zahlen soll.
Die Beschränkungen sind nur das eine. Pfiffige Köpfe in den Sendern suchen andererseits ständig nach neuen Schleichwegen zur Umgehung der Auflagen – nicht zuletzt, weil beim klassischen Werbeblock viele Zuschauer immer noch wegzappen. Diese Aktivitäten bereiten den Medienwächtern zunehmend Kopfzerbrechen. Werbung wird immer häufiger zum integralen Bestandteil von Sendungen, sagen sie.
Das bestätigt nun eine von der NRW-Medienanstalt LfR in Auftrag gegebene Studie. Danach wird die Vorschrift einer deutlichen Unterscheidbarkeit von Werbung und redaktionell verantworteten Beiträgen zunehmend unterlaufen.
Doch die gesetzlichen Grundlagen zur Unterbindung solcher Aktivitäten fehlen oft. Sie lassen eine Grauzone zu, in der sich lukrative Geschäfte machen lassen. Und oft steckt der Teufel im Detail. Beispiel: Sponsoring, seit 1987 auch den Öffentlich-Rechtlichen rund um die Uhr erlaubt. Die Idee, auf diesem Weg auch (Minoritäten-)Programme zu ermöglichen, wurde längst zur festen Nebeneinnahmequelle umfunktioniert. Gesponsert wird nicht „Das kleine Fernsehspiel“, sondern Mainstream à la Wedel und natürlich alles, was auch nur annähernd wie Sport aussieht.
Noch haariger wird's beim Titelsponsoring. Zu dieser Verbindung von Sendetiteln und Produktnamen zählen sowohl die Flimmerversionen von Zeitschriften von „Spiegel TV“ bis „Bravo TV“ als auch obskure Formate wie „Motorvision. Das Pirelli-Automagazin“ bei DSF. Bei all diesen Formaten taucht mindestens das Produktlogo in der Studiodekoration oder sonstwo auf. Längst ist die Grenze zur (verbotenen) Schleichwerbung fließend geworden, zum Beispiel wenn in Verbrauchermagazinen bestimmte Artikel angepriesen werden. Ebenso grassiert das Product-Placement.
Wo letzteres im Einzelfall nur schwer nachzuweisen ist, liegen die Dinge bei der Schleichwerbung einfacher. Jedoch können die Verstöße, wie LfR-Chef Norbert Schneider bedauerte, bisher nicht mit Bußgeldern geahndet werden. Desgleichen drängt Schneider auf eine gesetzliche Regelung des Titelsponsorings. Ähnliches sei für eine Reihe von anderen Formen nötig, die da in absehbarer Zeit über die „grüne Grenze“ (Schneider) zwischen Programm und Werbung wandern werden.
Ist Split-Screening (Aufteilung des Bildschirms in zwei Flächen, auf denen Programm und Werbung gleichzeitig zu sehen sind) hierzulande eindeutig verboten, ist die gesetzliche Regelung von virtueller Werbung (Einblendung von Werbesignets per Computer) im digitalisierten Fernsehen bisher völlig offen. Ein Problem, das bereits bei der Fußball-WM im Sommer akut werden könnte.
In den französischen Stadien ist Werbung für Alkohol verboten. Weil aber Fußball und Bier in Deutschland nun mal zusammengehören, könnte man die reale Bandenwerbung in den Stadien durch virtuelle Brauerei-Tafeln ersetzen. Möglich wäre sogar, daß ganze Spielfeld in Milkalila zu färben. Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen