"Gandhi hat unser Land gespalten"

■ Heute jährt sich zum 50. Mal die Ermordung jenes Mannes, der die Inder zum gewaltlosen Kampf gegen die Briten aufrief. Gopal Godse, einer der Verschwörer, zeigt keine Reue für die Tat und hofft auf einen

Vor fünfzig Jahren, am 30. Januar 1948, „verschwand das Licht aus unserem Leben“, wie der indische Ministerpräsident Nehru damals formulierte. Während einer öffentlichen Gebetsversammlung im Garten einer Villa in Neu-Delhi fiel Mahatma Gandhi dem Mordanschlag eines ultranationalistischen Hindus zum Opfer. Die Nation war schockiert. Hunderttausende versammelten sich zur feierlichen Einäscherung des kleinen Mannes im Lendentuch, den die Menschen zärtlich „Bapu“ (Vater) nannten. Die Regierung erklärte den 30. Januar als „Tag der Märtyrer“ zum nationalen Feiertag.

Der 78jährige Gopal Godse ist einer der Verschwörer, die sich damals zum Ziel setzten, Gandhi zu ermorden, und der Bruder des eigentlichen Attentäters. Politisch gehört Godse auch heute noch zum Spektrum der radikalsten Hindu- Extremisten, die Haß gegen die Muslime schüren und vor gewaltsamen Aktionen nicht zurückschrecken. Das Gespräch mit Godse wurde in der südindischen Stadt Poona geführt.

taz: Warum haben Sie und Ihr Bruder Mahatma Gandhi getötet?

Gopal Godse: Gandhi hat Indien nicht die Freiheit gebracht. Sein Verdienst war es hingegen, das Land zu spalten. Um für Indien die Freiheit zu erlangen, beschwor er die Bruderschaft zwischen Hindus und Muslimen. Doch als das Ziel 1947 erreicht war, forderten die Muslime einen eigenen Staat Pakistan. Noch im selben Jahr besetzte Pakistan Teile von Kaschmir. Neu-Delhi beschloß daher, die vereinbarte Aufteilung der von den Briten zurückgelassenen Staatskasse hinauszuzögern, um Pakistan zum Rückzug zu zwingen. Gandhi aber bestand darauf, daß die Pakistaner die ihnen zustehenden 550 Millionen Rupien erhalten und trat sogar in den Fastenstreik, um die Regierung zur Auszahlung zu zwingen. Das war der Tropfen, der für uns das Faß zum Überlaufen brachte.

Wie haben Sie das Attentat vorbereitet und ausgeführt?

Wir waren fünf Freunde, ohne Erfahrung, aber konspirativ auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen. Auf getrennten Wegen reisten wir von Poona in die Hauptstadt und erkundeten die Sicherheitsvorkehrungen für Gandhi. Am 20. Januar sollten einer von uns eine Bombe in eine Gebetsversammlung werfen und die Verwirrung nutzen, um Gandhi zu erschießen. Doch die Bombe explodierte nicht, unser Freund wurde gefaßt. Nun hieß es, rasch zu handeln, bevor die Polizei die Verschwörung aufdeckt. Mein Bruder Nathuram entschloß sich, das Attentat am 30. Januar im Alleingang durchzuführen. An jenem Abend waren 53 Polizisten im Dienst, um Mahatma Gandhi zu beschützen. Aber es gab keine Durchsuchungen am Eingang, das war unser Glück.

Was geschah nach den tödlichen Schüssen?

Nathuram hob die Hände und rief: „Polizei, Polizei!“ Er ließ sich widerstandlos festnehmen. Innerhalb einer Woche wurden ich und die anderen beiden in Poona verhaftet. Das Gerichtsverfahren war fair. Mein Bruder und Narayan Apte wurden gehängt, wir drei anderen erhielten „lebenslänglich“. Ich kam nach 18 Jahren Haft frei. Außer mir lebt nur noch der Bombenwerfer Madan Lal Pahwa.

Sie waren in der „Hindu Mahasabha“-Partei organisisert. Was sind deren Ziele?

Ich bin immer noch Mitglied der Hindu Mahasabha. Die Partei ist durchaus noch lebendig, auch wenn sie keine große Gefolgschaft mehr hat. Wir wollen die Teilung rückgängig machen und unseren heiligen Fluß Indus zurückgewinnen. Sehen Sie, vor der islamischen Invasion waren wir doch alle Hindus! Man muß den Muslimen nur ihren blinden Glauben nehmen, dann werden sie wieder zu wahren Indern. Der Islam ist nichts weiter als eine Waffe des arabischen Nationalismus, der ein Land nach dem anderen zu vereinnahmen trachtet. Einen Teil Indiens, nämlich Pakistan, haben sie bereits geschluckt.

Im Dezember 1992 zerstörten radikale Hindus in Ayodhya eine Moschee, um an ihrer Stelle einen Hindutempel zu bauen. Das ganze Land wurde von Unruhen erfaßt, mehrere 1.000 Menschen starben. Sie behaupten, alle indischen Moscheen seien früher Hindutempel gewesen?

Selbstverständlich. Nicht nur die Moschee in Ayodhya, auch der weltberühmte Taj Mahal war eigentlich ein Tempel, ein Shiva- Tempel. Aber die Moscheen sollten nicht zerstört, sondern in Hindutempel zurückverwandelt werden. Sie könnten als Umerziehungsanstalten für Muslime dienen, damit diese lernen, wie man mit Hindus zusammenlebt. Wer hat Babar, dem Erbauer der Moschee in Ayodhya, denn erlaubt, Indien zu überfallen und unsere Tempel zu schänden? Niemand, das Schwert gab ihm die Macht, und nur das Schwert kann ihn und seine Leute stoppen.

Der „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS), aus dem alle nationalistischen Hindu-Organisationen hervorgingen, distanzierte sich vom Attentat auf Gandhi. Nathuram und Sie waren doch auch Mitglieder im RSS?

Der Sangh ist eher eine kulturelle als eine politische Organisation. Nathuram und ich haben unsere Mitgliedschaft nicht aufgegeben. Es hätte dem RSS gut angestanden, sich mit ganzem Herzen zu dieser mutigen Tag zu bekennen, aber das ist deren Sache.

Indien steht kurz vor allgemeinen Wahlen, wahrscheinlich auch vor einem Regierungswechsel. Der vom RSS stark beeinflußten Hindu-Partei BJP werden gute Chancen eingeräumt, stärkste politische Kraft im neuen Parlament zu werden. Sehen Sie sich am Ende Ihrer Wünsche?

Unter einer BJP-geführten Regierung wird Indien wieder stark sein. Die aktuellen Konflikte um die Moscheen in Mathura und Varanasi kann das Volk allein lösen. Wir erwarten von der BJP keine Hilfe beim Wiederaufbau der Tempel. Aber wenn die Regierung die Moscheen schützt, dann muß das Volk wie im Unabhängigkeitskampf vor 50 Jahren Widerstand leisten. Interview: Rainer Hörig