„Stasi schuld am Tod von Jesus“

■ Die Diskussion über den SED-Forschungsverbund wurde am Donnerstag abend im überfüllten Saal in der FU-Silberlaube zur Debatte um die Instrumentalisierung von Wissenschaft für die Politik

Wird mit dem Schwarzbuch des Kommunismus die Totalitarismustheorie wieder hoffähig? Ist das unmittelbare Publizieren von Stasi-Akten Wissenschaft? Die Diskussion über den umstrittenen SED-Forschungsverbund, den der Asta, der Kritische Fachschaftsbund und die Antifaschistische Aktion am Donnerstag abend an der FU gemeinsam veranstaltet haben, stand unter dem Vorzeichen eines heftigen politischen Streits darum, wie Wissenschaft politisch instrumentalisiert wird.

„Finden – scannen – faxen, daraus besteht die Arbeit des SED- Forschungsverbunds“, faßte der FU-Historiker Wolfgang Wippermann, einer der Podiumsteilnehmer, seine Ansicht über den Forschungsverbund zusammen. „Und was kommt bei dieser direkten Weitergabe von Gauck-Akten an die Medien raus? Die Schlagzeile: ,Stasi schuld am Tod von Jesus‘.“

Wolfgang Wippermann warf der kritisierten Einrichtung vor, jenseits aller wissenschaftlichen Kriterien die Stasi-Akten zur Diffamierung politischer Gegner zu nutzen – sowohl auf politischer Ebene als auch innerhalb der Universität. Die Vorwürfe, die der SED-Forschungsverbund gegen kritische Wissenschaftler erhebe, ihre Forschung sei SED-beeinflußt gewesen, habe zwei Ziele: die Totalitarismustheorie wieder hoffähig zu machen, womit der Holocaust relativiert werde, und zugleich die kritischen Forscher zum Schweigen zu bringen. „Es geht um die Freiheit der Wissenschaft“, schloß Wippermann.

Obwohl selbst heftiger Kritiker des Forschungsverbunds, mochte Politikprofessor Peter Steinbach das schwere Geschütz des Relativierungsvorwurfs nicht auffahren – obwohl er mutmaßte, das Publikum vernähme lieber „ein knackiges politisches Bekenntnis“. Immerhin plädierte er dafür, den Opferzahlen im „Schwarzbuch des Kommunismus“ eine „ähnliche Kostenrechnung für die kapitalistischen Systeme des 19. und 20. Jahrhunderts“ gegenüberzustellen.

Ansonsten verlegte er sich auf handfestere Kritik. Erstaunt zeigte sich Steinbach darüber, wie sich der Forschungsverbund in Zeiten knapper Kassen Pfründen sichere. Er frage sich, warum es vor allem „nach entscheidenden hochschulpolitischen Wahlgängen so flutscht und floriert“. Die Erfolgsbilanz der Forscher sei „hochgerechnet“, die Forschungsergebnisse würden zu „Zweit-, Dritt- und Viertpublikationen“ immer neu „verwurstet“. Das sei „nicht solide“.

Vor allem aber monierte Steinbach, die „methodische Reflexionsfähigkeit“ der SED-Forscher sei „unterentwickelt“, sie betrieben eine „verantwortungslose politische Instrumentalisierung“. Unter ihren Publikationen befänden sich zwar viele „solide Texte“, aber eben auch „reine Polemik“. Dazu zählte Steinbach auch den Vorwurf der SED-Forscher, er sei als Leiter der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ östlichem Einfluß erlegen: „Ist doch klar, was ich den ganzen Tag in der Gedenkstätte mache – ich arbeite an der 27 Meter hohen Holzskulptur von Walter Ulbricht.“

Der dritte Diskutant, der PDS- Bundestagsabgeordnete Uwe- Jens Heuer, fand auf dem Podium wie beim Publikum wenig Zustimmung – auch wenn der Forschungsverbund vor der Diskussion eine „Pressemitteilung“ in alle Redaktionen gefaxt hatte, in der er die Veranstaltung als Teil einer „PDS- Kampagne“ brandmarkte. Heuer übte sich vor allem in DDR-Apologie. „Natürlich war Bautzen schlimm“, sagte er, „alle Gefängnisse sind schlimm.“ Wer so etwas sage, entfuhr es da Steinbach, „der tickt nicht richtig“.

Hans-Eberhard Zahn, dessen „Notgemeinschaft für eine Freie Universität“ (NoFu) noch immer den Kommunismus bekämpft, nahm an Heuer gar den „Ludergeruch den DDR“ wahr. Anrüchiger erschien dem Publikum aber Zahns Bemerkung, als NoFu-Vertreter werde er behandelt wie vor sechzig Jahren „der Jude“. Unter Beifall erwiderte Wippermann: „Das ist politisch obszön!“ Barbara Junge, Ralph Bollmann