Angst vor dem nächsten Regen

Schwere Regenfälle haben die Infrastruktur in Kenia völlig zerstört. Die Regierung verspricht, die Straßen zu reparieren. Doch an wirkliche Verbesserungen glaubt keiner  ■ Aus Nairobi Peter Böhm

„Erbarmungswürdig“ sei das einzige Wort, das für den Zustand der Straße von Mombasa nach Nairobi angemessen sei. „Die Löcher sind so tief“, sagt Goge Kakuma, Transportkoordinator bei der kenianischen Spediton G + K & Söhne, und zeigt die Länge mit seinem Arm an. Nun hätten die Behörden zwar die Straße wieder passierbar gemacht, aber die Reparaturen seien doch nur „kosmetisch“: „Beim nächsten Regen wird das alles wieder herausgespült.“

Die etwa 500 Kilometer lange Fahrt von Nairobi nach Mombasa dauert immer noch 26 Stunden – früher waren es acht. Die Straße Nairobi–Mombasa ist eine der Hauptverkehrsachsen Ost-Afrikas, weil der Süd-Sudan, Ruanda, Uganda bis hin zum östlichen Teil der Demokratischen Republik Kongo für Import und Export auf den Hafen in Mombasa angewiesen sind. Als die Straße vor zehn Tagen wegen sintflutartiger Regenfälle für einen Tag überhaupt nicht passiert werden konnte, war der öffentliche Aufschrei groß.

Neben den Kirchen, die in Kenia häufig die Regierungspolitik kritisieren, meldeten sich erstmals auch wirtschaftliche Interessenverbände und Nichtregierungsorganisationen zu Wort. „Was wir jetzt sehen“, kritisierte zum Beispiel der Vorsitzende des Zentrums für Transport- und Umweltuntersuchungen, Philip Wambugu, „ist zu zehn Prozent die Folge von El Niño und zu 90 Prozent die Mißwirtschaft der Regierung.“

Es sei besonders ironisch, daß, selbst wenn der geschätzte Schaden von 30 bis 50 Milliarden kenianischen Shilling (1 bis 1,5 Milliarden Mark) behoben sei, das Straßennetz in Kenia immer bloß noch die Kapazität von vor zehn Jahren haben werde. „Es ist ein Zeichen der völlig verfehlten Verkehrspolitik, daß diese schweren Lasten immer noch auf der Straße transportiert werden, während nebenher die Schiene verläuft.“ Allerdings sei auch das verständlich, da die staatliche Eisenbahngesellschaft „korrupt und völlig ineffizient“ sei.

Die Regierung von Präsident Daniel arap Moi dagegen hielt sich bedeckt und tat, was zu erwarten war: Sie machte eine Tour bei den Geberorgansisationen. Die Europäische Union (EU) stellte 84 Millionen Ecu für die Reparatur einer 130 Kilometer langen Strecke der Mombasa-Nairobi-Straße zur Verfügung. Die Auszahlung dieser Summe hatte sie im vergangenen September im Anschluß an das Einfrieren eines Kredites durch den IWF verschoben. Die Weltbank stellte 50 Millionen US-Dollar bereit, so daß der Minister für öffentliche Arbeit, Kipkalia Kones, bekanntgeben konnte, daß die Reparturarbeiten im Februar beginnen werden.

Das bedeutet jedoch nicht, daß das Verhältnis der im Dezember unter umstrittenen Umständen wiedergewählten Moi-Regierung zu den Gebernationen nun wieder besser ist. Die Stunde der Wahrheit für Kenia wird bei dem Treffen mit dem Internationalen Währungsfonds im Februar schlagen, dessen Entscheidung eine Signalfunktion haben wird.

Vertreter von multilateralen Hilfsorganisationen und einiger europäischer Regierungen trafen sich in der vergangenen Woche mit Abgeordneten der von Überschwemmungen besonders betroffenen Gebiete im Nord-Osten Kenias und warfen der Regierung öffentlich vor, sie stelle zu wenig logistische Unterstützung für die Hilfslieferungen zur Verfügung.

Besonders irritiert zeigten sich die Hilfsorganisationen, daß sich die Regierung trotz wiederholter Anfragen weigerte, auf die Zollerhebung für die importierte Nahrungsmittelhilfe zu verzichten. Auch die Fahrpreiserhöhung der staatlichen Busgesellschaft Stagecoach um bis zu 100 Prozent wegen der zu erwartenden höheren Reparaturkosten hat einen öffentlichen Aufschrei ausgelöst.

Der traditionell kraftlose Gewerkschaftsdachverband COTU, mit 350.000 Mitgliedern einer der größten in Kenia, drohte daraufhin mit einem Boykottaufruf, falls die Erhöhung nicht rückgängig gemacht werde. Selbst der Hinweis der Transportarbeitergewerkschaft, daß 25.000 Familien von diesem Unternehmen abhingen, ließ die Dachorganisation nicht zurückschrecken. In Nairobi und Umgebung tauchten Flugblätter auf, die zum Boykott aufriefen.

„Transparenz“ sei nun endlich von der Regierung gefragt, sagt der Direktor des kenianischen Industrieverbandes Kenya Association of Manufacturers (KAM), Zablon Kahura, und fragt: „Was tut denn die Regierung mit den Einnahmen aus der Mineralölsteuer, die explizit für die Aufrechterhaltung des kenianischen Straßennetztes bestimmt sind? Wir fordern eine gemischte Kommission von Vertretern aus Privatwirtschaft und der Regierung, die die Verwendung dieses Fonds überwacht.“

Die katastrophale Infrastruktur und die sich daraus ergebenden hohen Transportkosten seien es, die die kenianische Wirtschaft im internationalen Vergleich so schlecht aussehen lassen. „Nehmen Sie zum Beispiel Fruchtsäfte. Es ist doch lächerlich“, meint Kahura, „daß Produzenten aus Deutschland, Israel und Südafrika billiger anbieten können als wir.“ Die Transportfirmen erhöhten nun ihre Preise um bis zu 100 Prozent, die die Firmen an die Kunden weitergeben werden. „Das ist für Kenia der sichere Weg in die Rezession!“