Witze über die Shoa

■ Rätselheftchen mit antisemitischen Fragen kursieren in polnischen Schulen

Warschau (taz) – An polnischen Schulen kursieren Rätselheftchen mit Witzen über die Shoa. Eine Schülerin aus Posen verstörte ihren Vater, als sie ihn naiv fragte, was denn so lustig sei an den Rätseln wie: „Eine Rallye für Juden? Paris–Dachau“. Der Vater rief bei Janusz Weiss, einem Redakteur des privaten Rundfunksenders „Radio Zet“, an und bat ihn, die Sache in die Hand zu nehmen. Weiss löst in einer täglichen Sendung schwierige und absurde Alltagsprobleme seiner Hörer.

Er nahm sich tatsächlich des Problems an, rief während der Sendung beim Verlag und der Staatsanwaltschaft an. Das Thema brach alle bisherigen Rekorde an Höreranrufen. Allerdings: Ein Drittel davon war rein antisemitisch. Witze gebe es schließlich auch über Schotten, über Blondinen und Polizisten. Wenn Janusz Weiss die Witze über Juden nicht witzig fände, brauche er sie ja nicht zu lesen. Ein weiterer Hörer bedankte sich im nachhinein bei Hitler, der die Polen für ein paar Jahre vom „Krebsgeschwür des 21. Jahrhunderts“ befreit habe. Jetzt aber beginne es von neuem zu wuchern. Es werde Zeit, wieder einmal „Ordnung zu machen“.

Janusz Weiss rief während der Sendung auch bei der Staatsanwaltschaft in Warschau an. „Es gibt in der neuen Verfassung einen Paragraphen gegen Volksverhetzung. Er soll Menschen, die religiösen, ethnischen oder sonstigen Minderheiten angehören, schützen“, erklärt ihm Pressesprecher Ryszard Kuszynski. Die Staatsanwaltschaft werde prüfen, ob die Witze über den Holocaust tatsächlich die Grenzen der Freiheit des Wortes überschreiten. Wenn ja, werde sie die Ermittlungen aufnehmen. „Es gibt bereits einige Verurteilungen aufgrund dieses Paragraphen“, versichert Kuszynski.

Als Weiss allerdings nachfragte, wie der „Fall Bubel“ ausgegangen sei, muß Kuszynski eingestehen: „Das Verfahren wurde eingestellt. Der Termin für ein zweites Verfahren steht noch nicht fest.“ Bubel, einer der Kandidaten für das Präsidentschaftsamt 1995, hatte kurz vor den Wahlen eine ähnliche Broschüre mit dem Titel „Jüdischer Humor“ herausgegeben. Auch sie kursierte an polnischen Schulen. Die Staatsanwaltschaft fand, daß derartige Witze keinen „schädlichen Einfluß auf die polnische Gesellschaft“ hätten. Weiss hofft dennoch, daß es diesmal zu einer Verurteilung kommt. Das Helsinki-Komitee für Menschenrechte hat sich bereits eingeschaltet. Gabriele Lesser