■ Italien: Großer Lauschangriff auf geschützte Gruppen
: Römische Lektion

Es steht außer Zweifel, daß Umberto Bossi mit seiner Sezession und der Idee der Po-Ebenen-Republik ein ausgemachter Verfassungsfeind ist. Und es ist legitim, daß Italiens Behörden wegen des Verdachts aufrührerischer Umtriebe gegen die „Padanische Garde“ ermitteln. Die Konflikte, die sich nun im Zuge der einschlägigen Abhöraktionen ergeben haben, sind aber unabhängig von dem konkreten Fall einer bewaffneten Sezession zu betrachten – als Lehrstück dafür, wie leicht sich die Garantien gegen den Lauschangriff aushebeln lassen.

In Italien ist der Lauschangriff etwa denselben Einschränkungen unterworfen, wie sie nun in Deutschland vorgesehen sind; zusätzlich haben allerdings auch Journalisten Lauschschutz. Trotzdem wird munter mit der Ausrede drauflosspioniert, man habe ja nur den anderen Gesprächspartner abgehört und so rein zufällig den Geschützten in die Leitung gekriegt.

Natürlich ist das eine, auch bei weitester Auslegung des Gesetzes, unzulässige Variante. Der Mitschnitt müßte sofort unterbrochen oder danach gelöscht werden. Und so wird wohl das Gericht, oder spätestens eine höhere Instanz, die Mitschnitte als rechtlich nicht verwertbar streichen. Das stört die Ankläger allerdings wenig – sie haben nämlich erreicht, was sie erreichen wollten: die Vorführung des Angeklagten und möglicherweise auch des Geschützten als zu Recht angeschuldigt. Merke: Der Kerl hat getan, was wir ihm vorwerfen, er kommt nur frei, weil er so einen dämlichen Lauschschutz genießt. Das kann das Gericht – zumindest die Laienrichter oder Geschworenen – beeinflussen und zu Schuldsprüchen motivieren, die es nicht fällen würde, wäre der Mitschnitt nicht eingeführt worden. Diese Praxis diskreditiert die gesetzlichen Einschränkungen zum Lauschangriff. Schon bald wird es neue Diskussionen mit dem Ziel eines weiteren Abbaus des Schutzes geben.

Beim Lauschangriff gibt es, so problematisch dies erscheinen mag, offenbar nur zwei Alternativen: Bedingungslos dafür, wenn die Angst vor dem Verbrechen entsprechend groß ist. Dann aber unterschiedslos für alle, auch für Volksvertreter. Oder bedingungslos dagegen, mit Ausnahme der „Gefahr im Verzug“. Was ebenso ehrenhaft ist, wenn man den Schaden durch die Zerstörung jeglichen Schutzes der Privatsphäre und jeglicher Vertrauensverhältnisse für größer hält als den Nutzen durchs Mitlauschen. Werner Raith