■ Welt Weit Grönling
: Rabiat und sauber: Scientology

Man muß es zweimal lesen, um es zu glauben: CompuServe hat zwar die Notseite des linken Magazins Trend übernommen, dafür aber ein anderes Angebot aus Deutschland gesperrt: Tilman Hausherrs Website, die sich kritisch mit Scientology befaßt. Die amerikanische Zentrale kam damit einer Forderung der Sekte nach, die wegen „Verletzungen des Urheberrechtes“ die Sperrung der Internetseiten verlangt hatte. Dabei ist es äußerst zweifelhaft, ob dieser Tatbestand vorliegt. In den USA ist in mehreren Verfahren höchstrichterlich geklärt worden, daß parodistische Verfremdungen von Logos und Warenzeichen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sind.

Der Scientology-Kritiker hat seine Website mittlerweile beim Berliner Provider „Snafu“ untergebracht (http://www.snafu.de/ ~tilman). Im deutschsprachigen Internet gibt es wohl kaum eine Site, die sich umfassender und kritischer mit dem Scientology- Phänomen auseinandersetzt. In akribischer Kleinarbeit hat der 33jährige Softwarefachmann Gerichtsurteile, Berichte, Tips und Links zu diesem Thema zusammengetragen – aber auch ein paar ironische Bilder, auf denen verschiedene Scientology-Logos verfremdet dargestellt werden. So wurde in einer Grafik das „S“ von Scientology in das Dollarzeichen „$“ umgewandelt und auf einer anderen die Organisation treffend als „The Credit Card Religion“ angepriesen.

Was dann folgte, ist von einigen anderen Fällen hinlänglich bekannt: Letzte Woche erhielt Hausherr E-Mail von CompuServe. Er solle nachweisen, daß sein Angebot nicht gegen Urheberrechte und eingetragene Warenzeichen verstoße. Wenn er dieser Aufforderung nicht binnen 48 Stunden nachkomme, werde seine Website vom Server „Our World“ gelöscht. Gleichzeitig forderte ein Rechtsanwaltsbüro aus Los Angeles den Scientology-Kritiker auf, die Bilder unverzüglich aus dem Internetangebot zu entfernen.

Aber genau das wird er nicht tun. Tilman Hausherrs Homepage hat lediglich den Server gewechselt. Er geht auch davon aus, daß Scientology ihn in Deutschland nicht weiter persönlich juristisch belangen wird. Wäre ja noch schöner, wenn rabiate Reinigungsfirmen wie Scientology bestimmen dürften, was erlaubt ist und was nicht. Sehr unrühmlich ist auch die Rolle, die CompuServe gespielt hat – aber die geraten auch schon in Panik, wenn jemand mal ein briefmarkengroßes Pin-up-Bildchen auf die Homepage stellt. So ängstlich ist noch nicht mal die Firma mit dem Bindestrich. Dieter Grönling

dieter@taz.de