■ Rauchverbot per Gesetz? Der Bundestag debattiert heute über einen Rechtsschutz für Nichtraucher. Kritiker monieren, es gebe genug Verordnungen, die ein einklagbares Recht etwa auf einen rauchfreien Arbeitsplatz ermöglichen.
: Frischer Wind

Rauchverbot per Gesetz? Der Bundestag debattiert heute über einen Rechtsschutz für Nichtraucher. Kritiker monieren, es gebe genug Verordnungen, die ein einklagbares Recht etwa auf einen rauchfreien Arbeitsplatz ermöglichen.

Frischer Wind durch alle Stuben

Die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen erinnern sich wohl noch an ihre Anfänge in rauchigen Kneipen. „Einen unverhältnismäßigen Eingriff in gewachsenes kulturelles Brauchtum oder die Tradition“ einer Gaststätte wollen selbst sie nicht mit ihrem Nichtraucherschutzgesetz verantworten. Aber bei 400 Toten infolge passiven Rauchens in Deutschland soll zumindest ein einheitlicher Rechtsschutz für Nichtraucher her. In allen öffentlich zugänglichen Ämtern und Behörden soll das Rauchen verboten werden, ebenso an allen Arbeitsplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Gehen Raucher in eine Gaststätte mit mehr als 50 Sitzplätzen, sollen sie dort ebenfalls nicht mehr rauchen dürfen. Es sei denn, die Gäste pflegen kulturelles Brauchtum.

Kaum eine Gesetzesvorlage hat in den letzten Jahren die Gemüter der Bundestagsabgeordneten so gespalten wie die zum Schutz der Nichtraucher. Neben den Grünen haben auch 135 Abgeordnete von CDU/CSU, SPD und FDP eine Initiative zum Schutz der Nichtraucher eingebracht. Sie verfolgen im Grunde dasselbe Ziel wie die Grünen, nur daß sie die Tabakindustrie nicht zu Ausgleichszahlungen für aufklärende Werbung heranziehen wollen. Dafür sollen Raucher auch auf Bahnsteigen, an Bushaltestellen oder in Flughäfen nicht mehr rauchen dürfen.

Neun Ausschüsse haben sich in den vergangenen Jahren mit den Vorlagen beschäftigt. Heute endlich ist es soweit: Die Gesetze werden im Bundestag debattiert. Da sich der federführende Gesundheitssausschuß nicht wie sonst üblich zu einer einheitlichen Meinung durchringen konnte, dürfen die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen abstimmen. Der Fraktionszwang ist heute aufgehoben.

Es könnte knapp werden. Denn schon innerhalb der Parteien ist man sich nicht einig. Gemunkelt wird, daß nur ein Drittel der CDU/ CSU-Fraktion für ein Nichtraucherschutzgesetz ist. Am Kabinettstisch wird auch gestritten. Umweltministerin Angela Merkel (CDU) unterstützt den Gruppenantrag. Ihr Kollege, Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), lehnt ein Nichtraucherschutzgesetz als „überflüssige bürokratische Bevormundung“ ab. Von den Bänken der CDU/CSU-Fraktion hat Wolfgang von Stetten, im Zivilberuf Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht, einen Gegenantrag zu der Gesetzesvorlage seines Fraktionskollegen Roland Sauer eingebracht. „Das geht doch auch zu weit, wenn Raucher 100 Mark Strafe zahlen müssen“, findet von Stetten. „Und außerdem“, sagt er, „können Sie doch nicht den Leuten verbieten, an einer Straßenbahnhaltestelle zu rauchen.“

Gegen ein Gesetz sind naturgemäß die Industrie- und Wirtschaftsverbände. Sie fuchteln mit einer Hochrechnung des industrienahen Instituts der deutschen Wirtschaft herum. Nachdem die Wirtschaftsforscher zehn Unternehmen befragt hatten, rechneten sie Kosten für Industrie und Staat von 33 Milliarden Mark aus, sollte das Gesetz umgesetzt werden. Der Industrie zur Seite springt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund. Die Gewerkschafter fürchten in erster Linie um ihre Mitbestimmungsrechte in den Betrieben. Und überhaupt sind sich alle Kritiker des Nichtraucherschutzes einig: Es gibt genug Verordnungen und Gesetzespassagen, die ein einklagbares Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz ermöglichen.

Denn es geht in der Tat auch ohne Gesetz. Bei Kekshersteller Bahlsen dürfen die Angestellten schon seit 1974 nicht mehr im Büro rauchen. Überkommt die Raucherin die Sucht, muß sie in einen Pausenraum gehen oder kann ihre Arbeit in der Sitzecke im Foyer erledigen. Die in Rauch aufgelöste Zeit wird von den 45 Minuten tägliche Pause abgezogen. „Die Übereinkunft war nie ein Problem“, sagt Sabine Knackstedt, Raucherin bei Bahlsen.

Das sehen die Angestellten der Berliner Bank genauso. Vor fünf Jahren haben die Geschäftsführung und der Betriebsrat vereinbart, daß alle Arbeitsplätze rauchfrei sind. Die Lufthansa verkündete gestern gar, daß ab dem 29.März auf keinem Flug mehr geraucht werden darf. Bislang mußten sich rauchende Passagiere nur innerhalb Deutschlands oder auf Flügen nach Nordamerika und Skandinavien einschränken. „Das entspricht dem Wunsch unserer Kunden“, sagt Lufthansa-Sprecher Lamberti.

Daß die Lufthansa durch das Rauchverbot den einen oder anderen Fernreisenden verliert, nimmt sogar der Vorstand in Kauf. Damit Piloten und Stewardessen einen Langstreckenflug ebenfalls überstehen, will die Lufthansa Raucherentwöhnungskurse anbieten. Ulrike Fokken