■ Mit G-Point hat sich erstmalig in der Bundesrepublik ein größerer Zusammenschluß weiblicher Plattenauflegerinnen gegründet. Die DJanes hadern mit den erotischen Klischees der Szene Von Susanne Burg
: T-Shirts, Platten und DJ-Mythos

DJanes nennen sich die weiblichen Discjockeys. Ihr neuer Berliner Club ist ein lockerer Verbund von rund 30 Frauen, die bundesweit Parties organisieren. Sie wollen Musik machen. Ganz selbstverständlich. Und auf keinen Fall reine Frauenparties beschallen.

DJane (DJ) Aroma lehnt sich im Sonnenstuhl zurück und plädiert für einen „schicken Bumm und einen anderen Bumm“. Die sechs Frauen, die in ihrem winzigen Büro im Berliner Bezirk Kreuzberg sitzen, verstehen und nicken. House und Drum'n'Bass, schlägt DJ Christine Lang vor. Techno und Speed Garage, hält Aroma dagegen. Was für Laien keinen Unterschied macht, bedarf für die Nachtclubprofis der guten Überlegung, denn publikumstechnisch können sich zwischen zwei elektronischen Musikrichtungen Welten auftun.

Hier geht es um die Kunst, eine gute Party zu organisieren. Seit vergangenem Sommer gibt es in Berlin den Verein weiblicher Plattenauflegerinnen – kurz G-Point genannt. Seit seiner offiziellen Weihe ist der Club auf dreißig DJanes (DJs) angewachsen. Was sie verbindet, ist ihr Geschlecht und daß sie elektronische Musik auflegen – mit den verschiedensten Richtungen – von Techno und Drum'n'Bass bis zu elektronischem Funk und Speed Hop. Obwohl der Club in Berlin stationiert ist, organisiert G-Point die Parties bundesweit. Steht eine „Location“ fest, setzen sich mehrere Frauen zusammen und besprechen, mit welcher Musik und mit welchen DJs dort angetreten wird.

Doch schnell erkannten die Frauen, daß es nicht immer einfach ist, Parties demokratisch zu planen. Nachdem sie anfänglich alle dreißig über Partykonzepte abgestimmt hatten und vor lauter Diskutieren kaum noch organisieren konnten, gibt es jetzt eine kleinere, offene Gruppe, die die Veranstaltungen plant. „Letztendlich besteht auch hier die Gefahr, daß Individualinteressen in den Vordergrund rücken“, räumt Aroma ein. Dann zum Beispiel, wenn das Partykomitee die Liste der möglichen DJs durchgeht und nur die Anwesenden die Aufträge bekommen.

„Ich mache seit zweieinhalb Jahren Veranstaltungen“, erklärt Vicki Schmatolla, G-Point-Gründerin und Betreiberin des WTF, einer der angesagten Clubs in Berlin. Noch bis vor kurzem seien Frauen in der Clublandschaft nicht groß präsent gewesen. „Weibliche DJanes wurden kaum gebucht“, sagt Vicki. Was nicht hieß, daß es keine gab. Die Veranstalter hätten eher ihren Kumpels die Aufträge zu geschoben – „das Good-old-boys-network funktionierte und funktioniert immer noch –, fügt Vicki beiläufig hinzu. Sie sprach einige interessierte Frauen an. Relativ schnell formierte sich ein Kern von zehn DJanes, der sich fortan um eigene Parties kümmerte. Vicki betont, daß das zwar von Frauen organisierte Parties waren, aber es seien alle willkommen gewesen, natürlich auch die „männlichen Mitbewohner dieses Planeten“. Das Konzept der Publikumsmischung ging und geht auch auf.

„G-Point soll ein Frauennetzwerk sein, das dem männlichen entgegengesetzt wird“, betont auch Aroma. „Der Club gibt uns einfach eine gewisse Stärke. Das ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als wir in Halle waren. Es war ziemlich furchtbar, weil wir mit dem Veranstalter nicht klarkamen. Doch wir waren nicht allein, sondern zu dritt. Wir haben ihn einfach ausgelacht.“ Auf dem Frauenticket will jedoch keine der Damen fahren. Weder wollen sie in die feministischen Ecke gestellt werden, noch wollen sie sich als das Exotische und andere vermarkten lassen. Etwas Besonderes sei es nicht, daß Frauen Platten auflegen, betonen sie.

Nichtsdestotrotz aber wissen sie, daß der weibliche Zusammenschluß ihnen bessere Marktchancen verschafft und sie auch offensiver und selbstbewußter auftreten läßt: Erst neulich hätten sie festgestellt, daß sie früher alle Manschetten hatten, die einschlägigen Plattenläden zu betreten, erklärt Aroma. Als sie angefangen habe, als DJane (DJ) zu arbeiten, sei sie immer in einen Plattenladen in München gegangen: „Da hockte dann König Tom Novy auf dem Thron und hat neue Platten an seine Schergen verteilt. Ich stand immer in der letzten Reihe und habe mich geärgert, daß ich nur die drittklassigen Platten abgekriegt habe.“ Die G-Point-Frauen plaudern über die Selbstinszenierung, das „Posen“ der Männer und darüber, wie sie als Frauen beim Plattenauflegen ausgecheckt und begutachtet werden. Doch bei G-Point ginge es nicht primär um das Frauenproblem, unterstreicht Aroma. Im Endeffekt komme es doch darauf an, eine gute Party hinzukriegen. „Die Tatsache, daß wir Frauen sind, ist toll, und darüber haben wir uns getroffen. Aber wir sehen uns in erster Linie als Künstlerinnen. Ich will keine Frauenparty für Frauen machen. – „Es ist doch aber auch okay, daß wir betonen, daß wir Frauen sind“, hält DJ Christine Lang dagegen.

In der Nachtclub-Geschichtsschreibung heißt es, der männliche DJ sei über die Clubjahre hinweg vom Prediger zum Gott avanciert. Doch dann habe er die Einsicht gehabt, daß es nicht ganz korrekt sei, Frauen aus den Plattenläden rauszuekeln und von den Turntables fernzuhalten. Er habe erkannt, daß es durchaus Wirkung zeigt, wenn Frauen mit von der Partie sind. So habe er sich bemüht, auch eine Göttin neben sich zu dulden, und führte sie charmant hinter die heiligen Plattenteller. Das Ganze wurde zur Attraktion ausgebaut: Ehrfürchtig wurde vor der Weiblichkeit der Kopf geneigt. Und der Aufstieg des Aschenputtels zur Königin des Techno war unaufhaltsam.

Die DJane als unerforschte, exotische Erscheinung, die sich mit ihren Platten im Gepäck anmutig von Liane zu Liane hangelt und mit ihrer blendenden Schönheit den gefährlichen Nachtclubdschungel erhellt – das entspricht kaum dem Selbstverständnis vieler weiblicher Plattenauflegerinnen. Auch die G-Point-Frauen wollen nicht auf das Girlie-Image festgeschrieben werden, sondern musikalisch ernst genommen werden. Doch in den entsprechenden Trendmagazinen wird die DJane-Spezie immer wieder gerne als sexy-athletische Blüte vermarktet. „Bei Frauen, die deejayen, kommt dann immer nur das geile Foto rüber, auf dem man im engen Babe-T-Shirt noch die Titten sehen kann“, kritisieren einige.

Junge, dünne, selbstbewußte Girlies mit Babe-T-Shirt und Zöpfen sind im G-Point-Büro nicht zu sehen. Doch diese sogenannte Trendkleidung sorgt auch hier immer wieder für Diskussionen. Aroma sitzt im Sonnenstuhl und erklärt, daß sie mit dem Girliekonzept wenig anfangen könne. Nicht nur aus ideologischen Gründen ist dies nachvollziehbar. Denn die House-DJane ist nun wahrlich kein Strich in der Landschaft. Als sie vor einiger Zeit gefragt wurde, ob sie auf einer Party mit dem entsprechenden Girlie-Outfit Platten auflegen würde, habe sie den Job nur unter der Bedingung zugesagt, daß sie anziehen könne, was sie wolle. Schließlich sei sie als Kerl dort aufgelaufen: „Die haben sich natürlich völlig gewundert, was dieser Fettsack mit Vollbart will. Während des Sets habe ich meine Klamotten ausgezogen und stand nachher im Bikini da. Und damit habe ich die Sache so ins Lächerliche gezogen, daß es richtig lustig war. Die Typen werden sich hüten, noch mal einen Girlie-Rave mit mir zu machen.“

Wenn die G-Point-Frauen durch die Republik reisen und gemeinsam Platten auflegen, geht es weniger ums Geld als um den gemeinsamen Kick mit der Musik. Denn besonders lukrativ waren die Veranstaltungen bisher noch nicht.

Die G-Point-Frauen wollen außergewöhnliche Parties organisieren. Auf den letzten Veranstaltungen wurden deswegen auch kräftig die Musikrichtungen gemischt. Nicht immer ging dieses Konzept reibungslos auf. Verdattert blieben einige Clubbesucher in der Ecke stehen, als ihnen nach getragen experimentellen Grooves plötzlich die Technobeats in Höchstgeschwindigkeit um die Ohren flogen.

„Man muß sich schon etwas einfallen lassen, um auf dem Markt bestehen zu können“, betont Veranstalterin Vicki Schmatolla. Seit einiger Zeit wird die nächtliche Clublandschaft von Videoinstallationen oder Diaprojektionen erhellt, Performancekünstler tanzen sich durch das Berliner Partygelände, Live-Bands ertönen zwischen den Breakbeats des Vinyls. Bisher gibt es allerdings noch wenige, die dieses Konzept richtig umsetzen können, sagt Vicki: „Das muß man sich langsam erarbeiten.“

Auch die G-Point-Frauen kombinieren bei ihren Locations verschiedene Kunstrichtungen wie Tanz, Mode und bildende Kunst, aber auch Instrumente wie Stahlcello oder der Drum'n'Bass-Live-Act Fast Forward werden eingesetzt.

Aroma macht sich auf dem Sonnenstuhl breit und zieht noch mal Bilanz: „Abends weggehen ist Fleischbeschau. Sobald der Faktor Sex dabei ist, sind wir in dem alten Ding drin. Dann kannst du statt mit Qualität mit Titten überzeugen.“ Auch DJane MC Looney Tunes unterstreicht, daß sie den sogenannten Frauenbonus nicht nutzen würde, um sich zu verkaufen: „Wir wollen doch alle einfach nur Musik machen.“