Literarisches Handgepäck

Drei Bücher zu Mexiko: über das Leben, die Liebe und die Küche  ■ Von Almut Wilske

Número Uno

Man nehme: ein Land kurz vor dem Überkochen, eine bitter schmeckende Familientradition, eine Mutter, an der man sich die Zähne ausbeißen könnte, sowie eine Liebe, die durch den Magen geht. Das Ganze vermenge man mit zwölf Kochrezepten und anderen Elementen mexikanischer Geschichte, Kultur und Lebensart, bis alles miteinander verschmilzt.

Das so entstandene Gericht, „Bittersüße Schokolade“, ist eine Kostprobe neuster mexikanischer Literatur, die Appetit auf mehr macht. Erzählt wird die Geschichte von Tita und Pedro, die ihre Liebe zueinander nicht leben dürfen. Diese bittere Ausgangssituation wird durch mancherlei Süßen gemildert: Tita nutzt ihre Kochkünste, um Pedro ihre Gefühle mitzuteilen. Zauberei, Magie scheint dabeizusein, wenn Titas Speisen ihre Wirkung entfalten. Mal wird es einer ganzen Hochzeitsgesellschaft speiübel, mal werden alle von einer unaufhaltsamen Paarungslust befallen...

Schöpferin dieser Sinnes- und Gaumenfreuden ist die mexikanische Autorin Laura Esquivel. Ihr Erstlingswerk, voller Humor, ist Kochbuch und Roman in einem Rezept; und während wir noch die durch und durch realistische Schilderung seiner Zubereitung lesen, befinden wir uns bereits mitten in der fiktiven Welt von Titas Kochmagie. Diese hat nicht nur den geliebten, ihr vorenthaltenen Pedro betört. Auch Leser, die Mexiko (noch) nicht kennen, haben das Buch regelrecht verschlungen.

Laura Esquivel, „Bittersüße Schokolade“, Suhrkamp Verlag, 1994, 278 Seiten, 16,80 DM

Número Dos

„Wenn ich Arbeit habe, esse ich, und wenn nicht, dann esse ich eben nicht und fertig.“ Jesusa spricht stellvertretend für die, denen es in Mexiko am Nötigsten fehlt: an Arbeit, Nahrung, Gesundheitsvorsorge, Bildung. Schreiben kann sie nicht. Trotzdem liegt ihre bewegte Lebensgeschichte als Buch vor.

Autorin ist die mexikanische Schriftstellerin und Journalistin Elena Poniatowska, die in mehreren ihrer Werke den Stimmen der Unterdrückten Gehör verschaffte. In „Jesusa: ein Leben allem zum Trotz“ hat sie die Tonbandaufzeichnungen ihrer Gespräche mit der Landarbeiterin zu einem eindringlichen Text verarbeitet.

Wie die Ich-Erzählerin Jesusa darin vom täglichen Überlebenskampf berichtet, geht unter die Haut. Die einstige Revolutionskämpferin, die für ein paar Pesos unter anderem als Fabrikarbeiterin, Wäscherin und Kindermädchen schuftete, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wenn ich Geld hätte und Reichtümer, wäre ich Mexikanerin, aber da ich der letzte Dreck bin, bin ich eben nichts. Ich bin ein Dreck, den der Hund anpinkelt und dann weiter seiner Wege geht.“

Es ist auch ein Kampf um die eigene Würde und Selbstachtung. Diesen zumindest hat Jesusa gewonnen. Allem zum Trotz.

Elena Poniatowska, „Jesusa: ein Leben allem zum Trotz“, Lamuv Verlag, 1992, 367 Seiten, 19,80 DM

Número Tres

Ein „Streifzug durch die mexikanische Geschichte“, „Rundgang durch den mexikanischen Alltag“ und eine „ausgedehnte Reise durch die verschiedenen Regionen dieses herrlichen Landes“. So wird es auf dem Buchrücken angekündigt. Zuviel wird da nicht versprochen, eher zu wenig. Denn „Mexiko. Ein literarisches Portrait“ ist gleichzeitig ein Streifzug durch die Literatur aus und über Mexiko. Ein Buch, das weder Reiseführer noch Bildband ist und dessen zahlreiche, kurze Texte hervorragend auf das Land einstimmen.

Zu Wort kommen Schriftsteller, Dichter und Chronisten, Mexikoreisende wie auch Autoren, die dort Exil fanden. Ihre Texte sind nach Themen geordnet, die von den prähispanischen Kulturen über die Revolution bis zum Verhältnis der Geschlechter reichen. Sie nehmen den Leser auf eine Phantasiereise durch die verschiedensten Städte und Regionen dieses großen Landes mit. Wer selbst durch Mexiko gereist ist, wird manches aus anderer Perspektive wiedererkennen. Wer noch nie dort war, bekommt die Reiselust per Lektüre. Dazu tragen auch die zahlreichen Fotografien bei, die den Band sinnvoll ergänzen.

„Mexiko. Ein literarisches Portrait“. Herausgegeben von Roland Motz, Insel Verlag, 1997, 280 Seiten, 19,80 DM