■ Vorgespult
: Spontaner Funke

Brecht-Reihe im Deutschlandfunk. Start: Sa., 20.05 Uhr

„Man konnte allen alles sagen, aber man hatte nichts zu sagen. Man behalf sich damit, indem man nicht überlegte“ – ein frecher Satz des Radiokritikers Brecht, den der Kulturfunk 1998 allerdings nicht zu scheren braucht. Denn man hat viel nachgedacht in den Redaktionen und Tonstudios, vieles hervorgekramt und viel zu sagen! Im Glücksfall springt beim Hören spontan ein Funke, der nichts von dieser Mühe spüren läßt. Ansonsten lohnt das Hören aber schon aus kulturhistorischen Gründen...

Mit „Aus einem Lesebuch für Städtebewohner“ (Sa., 20.05 Uhr) heißt startet die Hörspielreihe, und diese Erstbearbeitung von Brechts Gedichtzyklus (1921–1928) ist so ein Glücksfall: eine suggestive Hörfilm-Kollage. Streicherklänge mischen sich mit knacksender Lyrik auf Schellack. Das Rauschen der Berliner U-Bahn spiegelt sich später im sanften Knattern der New Yorker Subway. Dazwischen trudelt der Hörer, gezogen von exakt komponierten Stimmen und Geräuschen, in die Großstadterfahrung aus der Frühzeit des Jahrhunderts. Man sieht sie wirklich, die Szenen der Enttäuschung und Einsamkeit, strukturiert als Boxkampf in drei Runden.

„Heutigkeit“ entsteht dabei nicht nur durch überzeugende Rap- oder Blueseinlagen. Gerade der kalkulierte Einsatz einer damaligen Kunstsprache läßt die (Hör-)Bilder so aktuell erscheinen. Auch die fehlende Brechtschulung der Stimmen nimmt dem Hörstück erfreulicherweise den Museums-Sound. So leben die Figuren wirklich in ihren Sätzen. Wie etwa die wunderbar kratzige Sophie Rois (als pedantische Hure), die selbst Ekliges mit fast komischer Beiläufigkeit „wegspricht“. Wenn sie am Ende schnoddert: „Was, Sie wollen noch mehr hören?“ ist das kein Schlußsatz, sondern man will den Rewind-Knopf drücken. Gaby Härtel

Übrige Termine: „Die Dreigroschenoper“ von 1930 (10.2., 20.10 Uhr); „Untergang des Egoisten Fatzer“, Regie: Heiner Müller mit den Einstürzenden Neubauten (14.2., 20.05 Uhr); „Jac Fleischhacker in Chicago“ (21.2., 20.05 Uhr); „Lenya“ (24.2., 20.10 Uhr); „Der Lindbergh-Flug“ von 1930 (10.3., 20.10 Uhr)