Bonn apart
: Baby mit Wanze

■ Warum ohne den Lauschangriff das demokratische Gemeinwesen nicht überleben kann

Was ist das? Ja. Jaa. Jaa. Jaa. Jaa.

Handelt es sich um einen Teil des Schlagzeilenrepertoires der Bild-Zeitung oder um einen Ausschnitt aus einer x-beliebigen Lauschaktion des Bundeskriminalamtes?

Ja, ja, liebe Polizisten, die ihr euch künftig auch noch mit der akustischen Wohnraumüberwachung abrackern müßt, beim Lauschen kann man so manchen Höhepunkt erleben. Das nur mal ganz nebenbei, damit ihr euch auf eure neue Aufgabe freut, die ja ansonsten eine ziemlich öde Angelegenheit wird. Aus der Arztpraxis müßt ihr euch Zeugs anhören wie: Aaa. Aaa. – Noch mal bitte. – Aaa... Da werdet ihr sicher häufig erschreckt zurückfahren, wenn es laut ins Mikro trompetet: Hatschi, hatschii, hatschiie. Gibt's eigentlich eine akustische Ansteckungsgefahr?

Aus der Rechtsanwaltspraxis werdet ihr mit Gesprächen vollgedröhnt wie: Und dann bin ich von links und der rote – oder war es ein gelber? –, jedenfalls der Opel oder der Ford von rechts beziehungsweise halbrechts, und dann bin ich nach links ausgewichen, und der andere ist einfach weiter geradeaus, und dann war es schon passiert. – Aha.

Und aus der Redaktionsstube bekommt ihr wie aus einer Endlosschleife zu hören: Ich hab gehört, Schröder wird's. – Nee, nee, ich hab gehört, Lafontaine. – Ich hab gehört, Schröder. – Und ich, wie gesagt, Lafontaine. – Na ja, ich bleib bei Schröder.

Das sind Aussichten, was?

Aber vielleicht habt ihr Polizisten Glück, und keiner sagt künftig mehr in geschlossenen Räumen ein Wort und wagt nicht einmal mehr zu niesen. Könnte ja abgehört werden, und wer will schon vor Fremden einen schlechten Eindruck machen? Der Kanzler sieht sich schon lange vor, wie in dieser Woche zu lesen war.

Statt eines seiner zwei angeblich abhörsicheren Autotelefone zu benutzen, läßt er sicherheitshalber an der nächstbesten Telefonzelle halten. Er meint, es sei unwahrscheinlich, daß ausgerechnet eine öffentliche Telefonzelle mitten in Bonn verwanzt ist. Nicht bekannt ist, ob der Kanzler auch zum mobilen Zahnarzt geht oder ob er seine Anwälte von der Straße aufliest.

Vielleicht werden Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten künftig zu Nomaden, immerfort auf der Flucht vor dem nächsten Lauschangriff. Für diesen Fall hat die Bundesregierung aber einen Plan in der Schublade: die akustische Personenüberwachung. Jedenfalls so lange, bis das Klonen des Menschen nach dem Vorbild Helmut Kohls, Hermann-Otto „Scheitel“ Solms' oder Manfred Kanthers solche Maßnahmen überflüssig machen. Gleich nach der Geburt könntenn Wanzen bei den Neugeborenen implantiert werden. Was ihr da hört, das wäre für euch Jungs natürlich die Hölle. Markus Franz