Analyse
: Plutonium-Hasardeure

■ 30 Tonnen Atommüll unterwegs, und das Schiff wird einfach gekapert

Am Wochenende hat Greenpeace vor dem Panamakanal demonstriert, daß eine entschlossene Handvoll Leute heute einen Frachter mit 60 Containern hochradioaktivem verglastem Atommüll kapern kann, und die internationale Staatengemeinschaft muß zugucken. Schlimmer noch, die betroffenen Regierungen von Japan und Frankreich haben das Piraterie-Risiko offenkundig billigend in Kauf genommen.

Nicht, daß es keine Warnungen gegeben hätte. Seit 1992 verschifft der französische Plutonium-Konzern Cogema Atommüll, der bei der Wiederaufarbeitung abgebrannter Atombrennstäbe aus Japan entstanden ist, zurück nach Japan. Bei jedem Transport hat es Protest gegeben, bei jedem auch Pannen. Nicht nur Greenpeace, auch Experten für nukleare Sicherheit protestieren seit Jahren, diese Transporte seien nicht sicher. Bisher aber hatten sich die Kritiker auf die Gefahr konzentriert, die von der Kollision eines Atom-Frachters wie der Pacific Swan mit einem anderen Schiff oder vom Sinken des Frachters bei einem Orkan ausgeht. Jetzt haben die Cogema und ihre japanischen Auftraggeber einen Weg gewählt, der das Risiko der Plutoniumtransporte nicht etwa senkt, sondern noch einmal drastisch erhöht. Die größte Atommüllfracht, die je unterwegs war, fuhr am Wochenende durch den engen 82 Kilometer langen Panamakanal. Sozusagen als Einladung für Piraten jeder Art.

Paul Leventhal, Chef des Nuclear Control Instituts in Washington und Atomtransportexperte, hat diesen Atomtransport eine beunruhigende Botschaft an den Rest der Welt genannt. Erstens habe man die Route eines der gefährlichsten Transporte der Geschichte nicht nur vor den gefährdeten Menschen, sondern auch noch vor deren staatlichen Behörden geheimgehalten. Und zweitens sei ein solches Risiko- Schiff offenkundig mit wenig Aufwand zu entern. „Wenn das Schiff von Terroristen statt Demonstranten geentert worden wäre, hätten die die radioaktive Fracht einfach in die Luft blasen können.“ Leventhal verlangte, wenn die Transporte schon nicht gestoppt werden könnten, müßten sie künftig mindestens mit ihrer ganzen Route vernünftig angekündigt und von einer bewaffneten Schutztruppe begleitet werden.

Das allerdings würde die Kosten der Transporte in die Höhe treiben. Die Wiederaufarbeitung, bei der große Mengen Atommüll entstehen, würde deutlich teurer. Cogema und seine japanischen Partner aber hatten den Weg durch den Panamakanal gerade gewählt, weil er billiger sein sollte als die längeren Routen um Kap Horn oder das Kap der guten Hoffnung. Die Greenpeace-Aktion am Panamakanal hat gezeigt, daß die Plutonium-Industrie solche Piraten-Risiken auf sich nimmt, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Zumal fern der Heimat. Panamesen sprechen weder Französisch noch Japanisch. Hermann-Josef Tenhagen