: Singing the White Jazz
■ Der „rising star“Kurt Elling improvisierte mit Stimme und Begleitband im KITO
Toll sahen sie aus, die vier jungen weißen Jazzer auf der Bühne des KITO: zugleich elegant und verwegen in leger, in edlem Zwirn und mit raffiniert ausrasierten Bartpartikeln. Sie suchen sich offensichtlich ihre Schneider und Friseure mit der gleichen Sorgfalt aus wie ihre musikalischen Vorbilder. Wie fast alle Gruppen aus den USA in der Konzertreihe „rising stars“sind sie alles andere als avantgardistische Neutöner, aber bei ihnen klangen die Standards so tief gefühlt und frisch wie lange nicht mehr.
Kurt Elling ist ein Vokalist, der klug genug ist, sich nicht in seiner beachtlichen Virtuosität zu verlieren. So singt er die inzwischen klassische Hommage an den Jazzer Clifford Brown „I remember Clifford“unbegleitet als ein Klagelied voller Melancholie.
Die Texte seiner Songs sind ihm so wichtig, daß er bei einem Song sogar ganz aus der Sängerrolle herausfällt, sich den Spickzettel schnappt und, etwas stockend ,aber dennoch erstaunlich musikalisch, die deutsche Übersetzung der Lyrics rezitiert. Er kann auch ganz ausgelassen scatten und mit seinem douwedibouwa-dibau, didou mal wie ein Saxophonist und mal wie ein Gitarrist phrasieren, aber die Songtexte melkt er gerne bis auf den letzten Tropfen Emotion aus. Dabei wirkt er wie eine Mischung aus Frank Sinatra und Tom Waits: Ein cooler Neo-Romantiker, der einen Samba so schläfrig in samtweichem Portugiesisch singen konnte, daß die Frauen in der ersten Reihe ganz unruhig wurden.
Die Eigenkompositionen sind von den Standards kaum zu unterscheiden, denn Elling und seine Mitspieler treffen den schick swingenden Ton des modisch-modernen Jazz der späten 50er und frühen 60er Jahre auf den letzten Handschnipser genau. Songs von Eddie Harris, Donald Bird oder Wayne Shorter spielen sie so kulinarisch und hip, daß es nur konsequent ist, wenn ihre CDs heute auf dem legendären Blue Note Label produziert werden. Und wie ihre großen Vorbilder rutschen auch sie nicht ins kommerzielle Kunstgewerbe ab, dazu improvisieren sie einfach zu schräg und abenteuerlich.
Schlagzeuger Michael Raynor hat eine Vorliebe für verquere Rhythmusverschiebungen und beknöppelt die Trommeln und Becken zum Teil auch mit den Händen. Bassist Rob Amster schlägt in seinen unbegleiteten Introduktionen solch überraschende Haken, daß die ganze Band darüber lachen muß, und Pianist Laurence Hobgood verbindet den kultivierten Anschlag eines Keith Jarrett mit dem funkigen Bluesfeeling eines Horace Silver. Schade, daß nicht mehr ZuhörerInnen gekommen waren, um diese raffinierte Verbindung von Show und Improvisation zu erleben. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen