Professor hat BSE-Gefahr verschlafen

■ 60.000 Rinder hätten nicht wahnsinnig werden müssen, wenn ein britischer Regierungsberater seiner Untergebenen vertraut hätte

Dublin (taz) – Ein Drittel aller BSE-Fälle in Großbritannien hätte verhindert werden können, wenn die Regierungsbehörden rechtzeitig reagiert hätten. Das behauptet Professor Roy Anderson, Berater der Regierung in Sachen Rinderwahn.

Das Landwirtschaftsministerium in London hatte die neue Tierseuche im November 1986 offiziell bekanntgegeben. Eine Pathologin im zentralen Tierlabor hatte sie jedoch bereits im September 1985 diagnostiziert, nachdem der Tierarzt David Bee zehn mysteriöse Todesfälle bei Kühen auf einem Bauernhof in Sussex beobachtet hatte. „Die Sache war gespenstisch“, sagte er. Weil er sich die Todesfälle nicht erklären konnte, sandte er einen der Kadaver an die Behörden, die den Kopf des Tieres an Richardson weiterleiteten.

Obwohl sie und einer ihrer Kollegen „bovine Scrapie“ – die bei Schafen seit Jahrhunderten vorkommende Hirnkrankheit – feststellten, machte ihr Vorgesetzter, der Neuropathologe Gerald Wells, eine Vergiftung für den Tod der Rinder verantwortlich. Als Wells und Kollegen 14 Monate später die Symptome und den Krankheitsverlauf von BSE beschrieben, verschwiegen sie die Fälle aus Sussex. In einem Interview mit der BBC gab Wells nun zu, daß es sich dabei um den ersten Fall von Rinderwahnsinn gehandelt habe. Bis Ende 1986 lagen offiziell sieben Fälle vor, doch die Behörden informierten das Expertenteam für Scrapie in Edinburgh erst im August 1987. Zwei Monate später schickte man ihnen Hirnproben. Nachdem die Seuche als Prionenkrankheit identifiziert worden war, wurde das Verbot erlassen, Rinder mit Kraftfutter aus Schafsabfällen zu füttern, was zu einem massiven Rückgang von Neuerkrankungen führte. Hätte man das Verbot nach Auftreten des ersten Falls erlassen, wären 60.000 Rinder weniger gestorben, sagt Anderson. Die britische Regierung hat eine Untersuchung der amtlichen Maßnahmen angeordnet. Ralf Sotscheck