Knopp hat alles erledigt

Die Rückkehr von Hitlers willigen Helfern: ZDF-Geschichtslehrer Knopp legt nach dem Erfolg der ersten Staffel nun noch „Bad Guys“ (Knopp) nach (arte 20.45 Uhr)  ■ Von Dietrich Kuhlbrodt

Wir haben Mittwoch, den 11.2. 1998, Primetime und eine ZDF- Premiere auf arte. Dort startet die zweite Serie von Hitlers Helfern mit der Eichmann-Folge von Guido Knopp, Jörg Müller und Stefan Simons. Das ZDF folgt im April, aber es freut sich schon jetzt auf die Quote. Zur ersten Helfer-Serie hatten sich ebensoviel Zuschauer eingeschaltet, wie es tote Juden gab, rund 6 Millionen also.

Ist der Vergleich zynisch? Aber nicht doch, wenn man in den Sendern bei Zahlen nur noch an Akzeptanz und Sendeplatz denken kann. Alles andere kommt hinterher. So ist es, und ZDF-Zeitgeschichtler Guido Knopp versteht es wie kein anderer, Zuschauer zu erreichen und dokumentarisch zu begeistern. Das ist gut. Er hat ein Bundesverdienstkreuz bekommen sowie TV-Preise plus zwanzig Stunden ZDF-20.15-Uhr-Sendezeit 1998. Kommen wir nun zur Sache. Falsch! Es geht um Personen, Kerle, Bad Guys und Good Guys.

„Nachdem ich mich jahrelang mit den ,Bad Guys‘ der Geschichte, mit Hitler, Goebbels, Göring beschäftigt habe, wollte ich die ,Good Guys‘ darstellen“, hatte Knopp in jüngster Vergangenheit erklärt, um der Frage nachzugehen, ob Papst Johannes XXIII. vor seinem Amtsantritt Kontakt zu homosexuellen Zirkeln hatte oder Opfer einer Intrige wurde.

1998 ist er wieder zu den Bösen zurückgekehrt. Ebenso bunt wie kurzweilig ist the best of TV aufgeboten, um uns die Karriere nebst Psychogramm des Judenvernichters Eichmann zu vermitteln. Was ist SS-Eichmann vorzuwerfen, der doch „Meine Ehre heißt Treue“ geschworen hatte? Geliebte hatte er, und zwar gleich zwei!

Da Ehebrecher Eichmann als Talkshow-Gast nicht zur Verfügung steht (schon 35 Jahre gehenkt), lassen wir uns durch ein Potpourri unterhaltsamer Mini- Einspielungen verwöhnen. Originale Bilddokumente, Statements, beruhigende Moderation aus dem Off und die Knopp-eigenen nachgestellten Kurzsequenzen à la Tatort zum bedrohlichen Schlagzeug (Musik: Klangraum) lassen wohlig erschauern. Die hochgelobte Akzeptanz läuft doch so: na, damit hab' ich weiß Gott nichts zu tun – mit dem Eichmann, „der dunklen Macht treu ergeben“. Mehr: Es ist für den Zuschauer überhaupt nichts zu tun. Knopp hat alles für ihn erledigt. Keine Frage bleibt offen. Die Off-Stimme: „Hier herrscht“, Schnitt, Betroffenenstatement, „Angst“. Aja, das hören wir gern, wenn wir selbst keine haben. Denn wir können uns bei den Knopp-Bildern in Sicherheit wiegen: Wir werden nicht belästigt.

Die Kamera schwenkt sehr nah in bester Werbespot-Manier Cognacschwenker ab, lecker gefüllt, um uns vertraulich zu bebildern, was der Eichmann-Feierabend „nach getaner Arbeit“ ist. Auch Nostalgiefreunde erkennen sich wieder, wenn die Eisenbahnfreunde Zollerbahn ihre frisch geputzte Museumslok auf den Weg schicken – eine herrlich bunte Sequenz, das prustet und faucht und pfeift, sauber das alles und sehr angenehm zwischen den tristgrauen Abfahrts- und Ankunftsbahnhöfen; nicht mal ein Stationsschild gibt es im Auschwitz-KZ.

Nein, irgendwie war die Zeit der Cognacschwenker, Dampfeisenbahnen und Krimifilme doch ganz in Ordnung. Sagen uns die professionell glatten Bilder. Die anders lautenden, völlig korrekten Verbalisierungen nehmen wir zur Kenntnis. Das ist eben die Tonspur.

An dieser Stelle möchte ich mit meiner Polemik kurz innehalten und Herrn Guido Knopp mit aller Ehrerbietung versichern, daß die Serie glänzend recherchiert ist. Bestimmt stimmen die Fakten. Der Propagandafilm „Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“ war ein Auftragswerk der SS. Korrekt. Ausgiebig zitiert die „Eichmann“- Folge Bilder des glücklichen Lebens im „Familienlager“: Juden, die sich einen guten Tag machen.

Aber es ist zuwenig, im Verlauf der Serienfolge irgendwann einmal die Fälschung erwähnt zu haben. Die Ambivalenz des Bildes, seine Mehrstimmigkeit hat zur Folge, daß die Aufnahmen Autonomie bewahren. Sie senden nach wie vor ihre SS-Botschaft aus, und die musizierenden Juden kommunizieren mit den Bildern, die musizierende Uniformträger zeigen: eine historisch nun wieder unhaltbare Koalition. Andererseits sind es nach wie vor jüdische KZ-Insassen, die gezwungen worden waren, beneidenswert schönes Lagerleben darzustellen.

Das Grauen, das diesen Bilder eigen ist – ihre Widersprüchlichkeit ist von der Guido-Knopp-Ästhetik ausgetrieben. Das historische Material verliert im ZDF- Zeitgeschichte-Kontext die ihm innewohnende, verborgene Botschaft. So, wie die Schnipsel in die Serien-Folge eingestreut sind, vermögen sie nichts anderes mitzuteilen, als was schon zu SS-Zeiten ihre Aufgabe war: Juden ins Lager! War ja gar nicht so schlimm.

Auch Bilder der Täter können die Geschichte der Opfer erzählen. Wer hinsehen und hinhören kann, hat gelernt, neben der Oral auch die Visual History abzufragen. Zur Bild-Rezeption gibt es derzeit Tagungen über Tagungen. Die Knopp-Serie traut dagegen dem, der in die Glotze guckt, gar nichts zu. Das ist ein Fehler. Oder sagen wir: Verabreichung von Fast Picture Food. Zu unterscheiden gibt's nichts mehr. Es waltet Schicksal.

Darum hat das ZDF-Zeitgeschehen für den Monat Oktober dieses Jahres als „Schicksalsstunden“ angekündigt, den Tag an dem was kam? a) Der Erste Weltkrieg, b) die D-Mark. Und für 1999 sind wieder Good Guys dran: „Die Kanzler“.

Womit wir jetzt zu einem Guido-Knopp-Psychogramm übergehen könnten, zu seinen 14 Jahren ZDF-Zeitgeschichte und zur undunklen Macht des Guten, des Zuviel. Aber die Quote.

Bevor wir uns im Kreise drehen, ist es mir ein Herzensanliegen, an Marcel Ophüls zu erinnern und an seinen viereinhalbstündigen Dokumentarfilm „Hotel Terminus“, 1989/90 vom ZDF gesendet. Hier ist es einem Herzenssache, einen Gestapochef (Klaus Barbie) zu stellen. Widersprüche werden aufgebrochen, nicht zugeputzt. Ja, im „Hotel Terminus“ wird Partei ergriffen, beim Zusehen wachsen durchaus die Emotionen, und die Bilder, die man sah, entwickeln sich weiter. Weil nix erledigt ist.

Da ein neuer „Hotel Terminus“-Sendetermin nicht ansteht, zurück zur „Hitlers Helfer“-Serie. Auf „Eichmann“ (11.2.) folgen „Josef Mengele – der Todesarzt“ (18.2.) und „Joachim von Ribbentrop – der Handlanger“ (25.2.).