„Die Krise ist beherrschbar“

■ Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Horst Köhler, über die Asienkrise und die Folgen für Deutschland

taz: Die sogenannten kleinen Tigerstaaten stecken in der Krise. Wie kommt das?

Horst Köhler: Die Krise hat ökonomische und politische Gründe. Sie ist vor allem auch eine Vertrauenskrise. Dies erklärt, warum die Währungen dieser Länder zum Teil so drastisch verfallen sind. Und das, obwohl sich an manchen Stärken dieser Staaten nichts geändert hat, wie insbesondere der Fleiß der Menschen, die hohen Sparquoten oder auch – wie im Fall Indonesiens – die reichen Rohstoffvorkommen. Doch hat die Krise auch etwas Heilsames: Die Länder sind jetzt dabei, ihre Bank- und Finanzsysteme neu zu ordnen, Monopole abzuschaffen und Lösungen für ihre kurzfristigen Liquiditätsprobleme zu finden.

Wie wirkt sich die Krise auf die deutschen Banken und Exportfirmen aus?

Unterstützt wurden diese Reformen durch den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Gruppe der großen Industrieländer, außerdem durch die Bereitschaft der Gläubigerbanken, konstruktiv bei der Lösung der Schuldenprobleme mitzuwirken. Die Krise ist deshalb beherrschbar. Allerdings verlangt die Krisenbewältigung vor allem den Menschen in diesen Staaten große Anpassungen und auch zusätzliche Entbehrungen ab. Darüber hinaus dürfte das weltwirtschaftliche Wachstum für mindestens ein bis zwei Jahre gedämpft werden, mit negativen Auswirkungen auch für die deutsche Konjunktur. Mittelfristig müssen sich die westlichen Industrieländer dann aber auf noch mehr Wettbewerb durch die südostasiatischen Länder einstellen.

Befürchten Sie, daß neben Indonesien, Süd-Korea, Malaysia und Thailand weitere Staaten von der Krise erfaßt werden?

Ich rechne nicht damit, daß die Krise noch sehr viel größere Kreise zieht. Entscheidend wird vor allem sein, daß Japan seine ökonomische und politische Krise überzeugend meistert. Politisch gesehen bedeutet die Krise in der Region aber in jedem Fall eine Zäsur. Im Westen wiederum wird man nicht mehr unbedarft über asiatische Wunderkräfte schwärmen.

Was muß geschehen, um ähnliche Krisen künftig zu verhindern?

In der Region selbst wird die Diskussion über einen eigenständigen asiatischen Weg eher zunehmen. Ich halte es auch für unabdingbar, daß nach dem ersten Krisenmanagement alle Beteiligten – dazu gehören insbesondere auch die internationalen Finanzsituationen und die Finanzmarktakteure selbst – die Ursachen der Krise ohne Tabus aufarbeiten. Sie müssen Schlußfolgerungen ziehen, die solchen Entwicklungen in der Zukunft rechtzeitig entgegenwirken.

Der SPD-Finanzexperte im Bundestag, Karl Diller, befürchtet, daß auch andere Länder wie etwa Rußland zahlungsunfähig werden, wenn Asien die Rechnungen für von dort importierte Güter nicht mehr bezahlen kann. Wie gefährdet sind dann deutsche Kredite für die Ex-Ostblockstaaten?

Ein Strukturelement der Krisenbewältigung ist mit Recht, daß eine Fortsetzung der Handelsfinanzierung gesichert wird. Dies sollte auch die Wirtschaftsbeziehungen Rußlands oder anderer osteuropäischer Reformstaaten zu diesen Ländern stabilisieren. Wie der Druck zum Beispiel auf den Rubelkurs aber zeigt, macht die Asienkrise den Reformstaaten das Leben nicht leichter. Dies gilt übrigens auch für ein Land wie Brasilien. Deshalb ist auch klar, daß die internationale Staatengemeinschaft ein gemeinsames Interesse haben muß, geordnete Lösungen für die Krise zu finden. Dabei müssen insbesondere die G-7-Länder Führungsverantwortung tragen. Interview:

Klaus-Peter Klingelschmitt