Einsam im Widerstand

■ Johann Georg Elser versuchte 1939 in München Adolf Hitler in die Luft zu sprengen / Eine Bremer Initiatve will an den mutigen Einzelkämpfer aus dem Volk erinnern

Wer Johann Georg Elser nicht kennt, hat die Welt verpennt. Elser, Elser?... Elser, na klar, der Mann vom Münchner Hofbräuhaus! Der Hitler-Attentäter!! Eben. Irgend-etwas stimmt da nicht mit dem kollektiven Gedächtnis: Von dem knapp mißglückten Anschlag auf Hitler am 8. November 1939 wissen irgendwie alle – der Name dazu fällt kaum jemandem ein. Vielleicht hat das was mit der Münchner Bierschwemme zu tun. Aber wie dem auch sei: Im Gegensatz zur elitären Stauffenberg-Clique ist Johann Georg Elser einer von uns. Ein Volksheld. Der „unbekannte Widerständler“.

Das mit dem „unbekannt“soll sich noch in diesem Jahr ändern, hofft eine siebenköpfige Initiative, die mit einem Ausstellungs- und Kulturprogramm das „Andenken an die Person und Handlung“Elsers pflegen will. Im Mittelpunkt wird eine große Wanderausstellung stehen, die in München startet und am 12. November im Gustav-Heinemann-Haus, dem Bürgerhaus in Bremen-Nord, seine hiesige Wieder-Eröffnung erlebt. „Nicht zuletzt auf unsere Initiative hin“, so Bernd Krause, wurde die Ausstellung ins Rollen gebracht. Der Bremer Rentner, der wie seine MitstreiterInnen Annemarie Möller und Karl Wenzel beruflich aus der Jugendarbeit kommt, sorgte dafür, daß die Elsner-Ausstellung, die im vergangenen Jahr in der Berliner Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“große Aufmerksamkeit erregte, nun durch Deutschland zieht. Er selber wird im Rahmen der Ausstellung als mutiger Dilettant in Sachen Komposition sein „Gedenkstück für Instrumentalisten und Sprecher“zur „Welturaufführung“bringen: „Der einsame Widerstand des Johann Georg Elser“.

Mit diesem Titel greift Krause einmal mehr den Topos von Elser als dem großen Einzelkämpfer im antifaschistischen Widerstand auf. „Einer aus Deutschland“titelte 1989 Klaus Maria Brandauers Film „Georg Elser“über den Widerstandskämpfer; „Der einsame Attentäter“heißt Helmut Ortners Monografie des Anschlags, die 1993 erschien. Historisch macht das Sinn. Auch nach heutigem Kenntnisstand scheint Elser niemandem von seinen Attentats-Plänen erzählt zu haben. Nicht während der einjährigen Vorbereitungsphase, nicht in den letzten 35 Tagen, da er sich Nacht für Nacht im Hofbräuhaus einschließen ließ, um in der Säule neben der Rednertribüne die Sprengladung anzubringen. Hier sollte Hitler am 8. November während seiner Rede für die Putsch-Kameraden von 1923 hochgehen. Der aber machte es wegen der Kriegsvorbereitung kürzer als üblich; die Bombe ging 13 Minuten zu spät hoch, holte die halbe Decke der Kneipe runter und tötete statt des Diktators acht andere Menschen.

Elser wird gefaßt, von der Gestapo gefoltert. Doch die Verhöre bringen kein großangelegtes Komplott zutage, sondern – so die Vernehmungsprotokolle, die 1969 veröffentlicht wurden – nichts als die Geschichte eines ein bißchen eigenbrödlerischen, ein bißchen religiösen, ein bißchen kommunistischen Schreiners aus der schwäbischen Provinz. Der war 1938 fähig eins und eins – das Münchner Abkommen und die Pogromnacht – zusammenzuzählen: „Ich wollte ja auch“, so Elser ein Jahr später bei seiner Vernehmung – „durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern.“

Die Nazis strickten um das mißlungen Attentat die Legende vom englischen Geheimdienst-Anschlag. In den letzten dreißig Jahren wurde diese Legende zerstört. Spätestens seit Brandauers Film ist Elser jetzt zum Westernstar stilisiert worden. Ein protestantischer Held: Auf daß der Mensch gerecht werde, vor allem allein und bißchen durch seinen Glauben. Die sieben Mitglieder der Bremer Initiative wollen dem Mythos nun wieder einen Namen und ein Gesicht geben – und über die Landeszentrale für politische Bildung damit nicht zuletzt die Bremer Schüler erreichen. ritz