Übergewichtiger Held der Arbeiter

In „The Big One“ beschäftigt sich Michael Moore erneut mit Arbeitslosigkeit und den Profiteuren. Wäre der große, dicke und etwas eitle Stand-up-comedian jedoch ein wenig seltener im Bild, würde das dem Film helfen  ■ Von Thomas Klein

Mit großen Worten und noch größeren Gesten beschwört Bill Clinton seit 1992 den wirtschaftlichen Aufschwung. Raus aus dem Tal der Rezession – sei angekurbelt, Konjunktur! Weg mit der Arbeitslosigkeit, her mit den Arbeitsplätzen! Die Überzeugung, daß sich die US-Wirtschaft inzwischen tatsächlich erholt hat, stützt den jetzigen Präsidenten. Auch wenn die Wirklichkeit anders aussieht.

Und das ist die Wunde, in die der Satiriker und Dokumentarfilmer Michael Moore seinen Finger bohrt. Schon vor acht Jahren hatte Moores „Roger & Me“ am Beispiel seiner Heimatstadt Flint/Michigan gezeigt, wie die Reaganomics ganze Städte in die Arbeitslosigkeit und ins Elend trieben, während eine ignorante, selbstgefällige Oberschicht gleichzeitig fidele Gartenpartys gab. Daß sich daran – Clinton hin, ökonomisches Zahlenwerk her – wenig geändert hat, führt der übergewichtige Klassenkämpfer mit der Baseballmütze in „The Big One“ vor.

Nachdem er sich in seinem Buch „Downsize This – Random Threats From An Unarmed American“ mit spitzer Feder mit der immer noch vorherrschenden Unternehmenskultur des „downsizing“ auseinandergesetzt hatte, war Moore – begleitet von einem Kamerateam – auf Promotiontour kreuz und quer durch die USA gefahren. Dabei fingen Moore und Co. die knochenharte wirtschaftliche Realität ein – wohin man auch kommt, allerorten werden Fabriken geschlossen, von denen teilweise ganze Landstriche abhängen. Da werden Arbeitsplätze nach Mexiko verschoben, und die in die Arbeitslosigkeit Entlassenen müssen sich von der Geschäftsleitung verhöhnen lassen – wäre der Betrieb noch profitabler gewesen, heißt es irgendeiner kranken BWL-Logik folgend, wäre er noch früher geschlossen worden.

Aber Michael Moore guckt nicht tatenlos zu – er konfrontiert Geschäftsführer und PR-Personal, Kameras und Medienvertretern gegenüber auf unverbindliche Freundlichkeit getrimmt, mit den Folgen ihres Tuns. Wie in „Roger & Me“ macht er das auch hier mit Witz und Hintersinn – mal will er dem Firmeninhaber einen Scheck zukommen lassen, dessen wenige Cent dem Stundenlohn eines mexikanischen Arbeiters entsprechen, mal überreicht er unbeholfenen Unternehmensvertretern lässig eine Urkunde, die sie sinngemäß zu menschenverachtendsten Profiteuren erklärt. Dem Inhaber des Sportschuhkonzerns Nike kann Moore trotz größerer Ziele wenigstens einige zehntausend Dollar für den guten Zweck abknöpfen.

Das alles ist schon sehr, sehr komisch und auch eine Genugtuung – mitzuerleben, wie da einer loszieht und den Wirtschaftsbossen an ihrem hochpolierten Image kratzt. Daß er dann sogar den Angestellten in den Buchläden, in denen er signiert, bei der gewerkschaftlichen Organisation hilft, ist nur konsequent und trägt mit dazu bei, die „Media Escorts“ seines Verlags Random House in den Wahnsinn zu treiben.

Trotzdem bleibt „The Big One“ zwiespältig. Denn die Eitelkeit des Filmemachers verwässert den Film: Moore als vom Publikum gefeierter Kabarettist, Moore im Gitarrenduett mit einem „Cheap Trick“-Musiker, Moore als Held der Arbeiter, angefeindet höchstens vom gehobenen Management. Ob man mit Moores Film einen unterhaltsam verpackten Ausflug in die triste US-Realität macht oder nur den Egotrip von jemandem beobachtet, der glücklicherweise auf der richtigen Seite steht, muß so offen bleiben.

Heute, 19 Uhr, Delphi; 13.2., 10 Uhr, Arsenal; 14.2., 17 Uhr, Akademie der Künste