Abverkauf von Heimkindern

■ Wie sich "unser Til" Schweiger mit Maciej Dejczers Drama "Bastard" schauspielerische Credibility erarbeiten wollte. Britischer Knacki wird in rumänisches Waisenhaus verschickt

Früher oder später will jeder „Star“ auch mal Schauspieler sein und neben dem süßen Klingeln der Kinokassen den warmen Regen anerkennender Kritiken erleben. Also greift sich der betreffende Akteur irgendeine echt herausfordernde, vorzugsweise unsympathisch angelegte Rolle in irgendeinem eher kleinen, möglichst ernsthaft-sozialkritischen Film. Harrison Ford hat das so gemacht und den eher sperrigen „Mosquito Coast“ gedreht, Harald Juhnke mit „Der Papagei“ und Sylvester Stallone, absichtsvoll angefettet, gerade erst mit „Cop Land“.

Auch Til Schweiger, seit „Der bewegte Mann“ und „Knockin' On Heaven's Door“ in bestimmten Kreisen bekannt als „unser Til“, wollte sich mit Maciej Dejczers Drama „Bastard“ endlich mal schauspielerische Credibility erarbeiten. Auf den ersten Blick sah das wohl nach dem perfekten Projekt aus: Ein polnischer Filmemacher und Felix-Preisträger auf dem Regiestuhl, ein renommiertes Ensemble (Pete Postlethwaite, Polly Walker, John Hurt), ein ausreichend trister Rahmen (Waisenheime im rumänischen Hinterland) und eine fordernde Rolle.

Als britischer Schwerverbrecher Brutecki, genannt Brute, der vom Londoner Knast nach Rumänien verfrachtet wird, um dort den weitgehend alleingelassenen Kindern zu helfen, hätte sich Schweiger ja vielleicht auch beweisen können. Wäre „Bastard“ nicht so ein elender Streifen.

Die hanebüchene Idee der Knackiverschickung, laut Presse- Info „Anfang der 90er Jahre in Großbritannien diskutiert“ (aber wohl doch nur von der dortigen Boulevardpresse), ist schon schwer verdaulich. Andererseits fällt der Kriminelle in dem Waisenhaus voller verstörter und verstörender Kinder kaum auf, denn weder der zwielichtige Anstaltsleiter Sincai (Postlethwaite) noch der versoffene Heimarzt Babit (Hurt) gehen als Vorzeigegutmenschen durch. Bleibt nur die attraktive und aufopfernde Krankenschwester Mara (Walker): Daß die von dem ganz harten Verbrecher, seinen billigen Zynismen und eindeutigen Angeboten nichts wissen will, ist der einzige kurze Lichtblick.

Aber dann schlägt über dem Publikum auch prompt eine Welle schlimmster Klischees zusammen: Der Alkoholiker serviert abgezirkelte Hoffnungslosigkeit, die junge Pflegerin ist betroffen, der miese Chef macht seine Geschäfte mit mafiösen Waffenschiebern und übt sich erfolgreich im rücksichtslosen Abverkauf von Medikamenten wie Heimkindern. Und der böse Junge aus Britannien? Der ist natürlich keine richtig fiese Type, eher ein unverstandener junger Mann, nach harter Kindheit auf die schiefe Bahn gerutscht, seine Fuck-you-Attitüde nur die rauhe Schale, hinter der sich ein butterweicher Kern verbirgt. Zum Finale vom sozialen Störfall zum selbstbewußten Heilsbringer umgekrempelt, hat er (doch) hektischen Sex mit der Krankenschwester und kümmert sich aufopfernd um die herzkranke Zwölfjährige, die sich in ihn verliebt hat.

Für mehr als Versandhauspsychologie und Groschenheftniveau reicht es bei „Bastard“ eben nicht. Wie die polnisch-französisch-deutsche (Boje Buck!) Produktion reales Elend als billige Kulisse mißbraucht, um ihre dünne bis dümmliche Geschichte zu erzählen, gibt dem Streifen dann einen sehr unappetitlichen Beigeschmack und den Rest. Und wer will Til Schweiger sehen, schlecht als guten Bösen, zwischen ernstem Blick (=aggressiv) und „Scheiße!“-Rufen einerseits und ernstem Blick (=Betroffenheit) und aufgesetzter Empörung andererseits? Thomas Klein

„Bastard“. Regie: Maciej Dejczer. Mit John Hurt, Til Schweiger, Polly Walker u.a. D/F/P 1997, 90 Min.