Knallbunte Grauzonen

■ Öko-Drama und Hippie-Traum: Hayao Miyazakis „Monoke Hime“

Das Schicksal meint es nicht gerade gut mit dem jungen Krieger Ashitaka. Erst kann er sein malerisches Dorf irgendwo im Osten des Landes nur mit Mühe vor dem bösartigen Waldgott retten, der als gewaltiges, von blutwurstgroßen Egeln bedecktes Zombie-Wildschwein herumtobt. Dann infiziert sich der junge Mann an dem Ungeheuer mit „dem Bösen“, einer wachsenden, schwarzbraunen Verfärbung an seinem Unterarm, die bald zum Tod führen wird. Heilung kann da nur eine einsame, nicht ungefährliche Reise in den fernen Westen des Landes bringen. Unterwegs begegnet er marodierenden Samurai-Horden, Waldgespenstern, den Tiergöttern des Waldes und San. Das junge Mädchen lebt bei den „Mara“ und bekämpft mit den übernatürlichen weißen Wölfen die Menschen, die sich immer weiter in den unberührten, zauberhaften Wälder ausbreiten und in einer stark befestigten Eisenhütte Gewehre herstellen.

Hayao Miyazaki, einer der prominentesten Schöpfer japanischer Comics und Zeichentrickfilme, macht es sich und dem Publikum nicht leicht. Denn in „Mononoke Hime“ („Prinzessin Mononoke“) hat jeder seine Gründe. Die Waffenschmiede wollen sich nur vor den übermächtigen Waldbewohnern und dem gierigen japanischen Kaiser schützen. Ihre sympathische Anführerin, Lady Eboshi, führt ihre Leute als autonomes Kollektiv und hat zahllose der selbstbewußten Arbeiterinnen aus der Prostitution freigekauft. Die Waldbewohner andererseits können natürlich gut auf das Abholzen, das Feuer und das Schießpulver der Menschen verzichten, wenigstens wegen ihres „Hirschgottes“, dem die Menschen ans Leder und an den Unsterblichkeit versprechenden Kopf wollen. So ein Konflikt läßt sich nicht so einfach auflösen.

Es ist kein Wunder, daß Miyazakis packende, poetische Fabel in Japan äußerst erfolgreich ist. „Mononoke Hime“ hat nichts von der glatten Formelhaftigkeit und den angestaubten Scheinkonflikten der Disney-Filme, bei denen sich neben den Pointen der ach so lustigen, ach so finstren Bösewichter allenfalls noch die Titel ändern. Tatsächlich hat Disneys Produktions- und Verleiharm Buena Vista den Vertrieb übernommen – das ist zwar marktwirtschaftliches Kalkül, führt wohl aber wenigstens dazu, daß Miyazakis Film hierzulande nicht nur in Off-Kino-Vorstellungen gesehen werden kann.

Miyazakis aufwendiges Spektakel verzichtet interessanterweise auf handwerkliche Sperenzchen, die Animation ist solide und über dem Durchschnitt, aber der Film braucht technische Spielereien ebensowenig wie ein plattes Happy-End. Auch wenn „Mononoke Hime“ mit 135 Minuten vielleicht doch etwas lang und das Finale ein wenig unübersichtlich ist – Hayao Miyazaki hat seinen Film sehenswert als phantasievolles, erwachsenes Märchen inszeniert. Thomas Klein

Wettbewerb: heute, 15 Uhr, Royal Palast; 21 Uhr, Urania