Verschränkte Arme, stille Maschinen

■ Jenseits des Telenovelas-Kitschs: Das Metropolis-Kino zeigt eine Reihe mit politischen Filmen aus Brasilien

Üppige Plantagen mit geräumigen Anwesen und freundlichem Hauspersonal. Davor ein Trupp genügsamer Arbeiter, die bei der Kaffee-Ernte singen. Oder schnauzbärtige Spiegelbrillenträger in koksweißen Anzügen am Pool, flankiert von kieksenden Bikini-Mädchen und finsterer Leibgarde. Brasiliens Geschichte schreibt sich in europäischen und amerikanischen Breitengraden in den 30minütigen Etappen der Telenovelas fort. All die Kleinmädchenträume von der verwaisten Zeitungsverkäuferin, die am Ende dann doch aus einem feudalen Stall kommt, die wir seit den Achtzigern täglich zum Nachmittagstee einnehmen.

Der künstlerische oder dokumentarische Rest des Produktionslandes Brasilien ist ein Fall für einen arte-Themenabend oder für das handverlesene Festival-Publikum. Doch auch dort nehmen Projektionen und positive Verklärungen kein Ende, in denen Mythen vom „dritten Kino“als utopische Hoffnungsträger gefälligst gegen Fastfood und Mainstream anzutreten haben. Und die Enttäuschung der europäischen Filmkritik über den Sieg des Mainstreams in Kuba oder Argentinien hat auch Brasilien immer mal wieder abgewatscht.

Das kleine Programm, das das Metropolis im Rahmen seiner „Brasilianischen Filmreihe“zusammengestellt hat, dürfte jedoch alle zufriedenstellen, denen das Brasilianische Kino in der Phase seiner Eigenbeschau in den sechziger und siebziger Jahren am Herzen liegt.

Vidas Secas – Nach Eden ist es weit von Nelson Pereira dos Santos (1963) erzählt von Fabiano, der eine während der Dürre verlassenen Farm besetzt und bewirtschaftet. Als die Felder bestellt und saniert sind, kommt mit dem Regen auch der frühere Besitzer zurück. Fabiano darf als Viehtreiber zwar bleiben, doch sein schmaler Lohn landet auf dem Spieltisch und Fabiano im Knast. Klingt hier das traurige Pathos des italienischen Neorealismus an, dominiert in den übrigen Filmen der kritisch-politische Blick engagierter Dokumentaristen. Zelito Viana, einer der Begründer des Cinema Novo in Brasilien zeigt in Terra dos Indios von 1979 den Kampf der Indios, die Exportgeschäfte mit Regenwaldhölzern um ihren Lebensraum brachten. Zu den ausführlichsten Beiträgen zu der Streikbewegung im Industriezentrum Sao Paulos im Jahr 1978 gehört Verschränkte Arme, stillstehende Maschinen von Sergio Toledo Segall und Roberto Gervitz. Er dokumentiert die faschistischen Wurzeln der etablierten Gewerkschaften und ihre Verfilzungen mit dem damaligen Arbeitsministerium.

Eduardo Coutinho wollte 1964 eigentlich einen Spielfilm über die Landarbeiter im Nordosten des Landes drehen und die Ermordrung des Arbeiterführer Joao Pedro Teixeira durch die Junta in den dramatischen Mittelpunkt stellen. Doch dazu kam es nicht. Das Militär putschte, die Filmer wurden als subversive Kräfte bespitzelt und mußten die Ausrüstung einpacken. Erst 17 Jahre später konnte der Regisseur nach dem Verbleib der Familie Teixeira forschen. Und so ist Ein Mann, zum Sterben bestimmt kein echter Spielfilm geworden, sondern ein Protokoll über die Schwierigkeiten politischer Filmemacher und das Portrait einer Familie, die zwischen staatlichem Terror und Verfolgung zerbricht.

Petra Möbel

„Vidas Secas – Nach Eden ist es weit“: heute, 17 Uh

„Verschränkte Arme, stillstehende Maschinen“: Di, 17., 19 Uhr, Sa, 21. Februar, 17 Uhr

„Land der Indios“: So, 22., 19.45 Uhr, Di, 24. Februar, 17 Uhr

„Ein Mann, zum Sterben bestimmt“: Di, 24., 19 Uhr, Sa, 28. Februar, 17 Uhr

Alle Filme laufen im Metropolis.