Das ist die Meisterklasse

Beim 1:0 in Stuttgart macht das Team des 1. FC Kaiserslautern ein klares Statement in der Titelfrage – auf dem Platz  ■ Aus Stuttgart Thilo Knott

Ein ums andere Mal mußte Hubert Keßler sein Taschentuch bemühen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Da stand der Präsident des 1. FC Kaiserslautern nun und sollte jenen Satz sagen, den in dieser Saison noch kein Lauterer über die Lippen bekam. Keine Frage zum Spiel, „nur“ eine Frage zur, ja, Meisterschaft. Natürlich versuchte Keßler mit allerlei Antworten, dieses Wort auf dem Klub-Index zu belassen.

Der 1:0-Sieg beim VfB Stuttgart im ausverkauften Neckarstadion durch das Tor von Marian Hristov (80.) sei „wieder ein Schritt in die richtige Richtung gewesen“. Jetzt sei der FCK-Präsident fest davon überzeugt, daß „wir im Endeffekt Vierter werden“. Immerhin sei sein Klub gerade mal „aus der zweiten Liga gekommen“.

Doch die Argumentation stand auf wackligen Beinen. Die Beweislast war denn doch zu groß geworden nach diesem 23. Spieltag: Gewonnen in Stuttgart, der einzige Verfolger aus München verloren bei Hertha – macht fünf Punkte Vorsprung. Also ergab sich Keßler und sagte, was die Fußballrepublik endlich auch einmal hören wollte: „Wir wollen Meister werden.“ Und als müsse er sich für diesen Bruch des Tabus irgendwie rechtfertigen, meinte Keßler noch: „Das ist doch in Ordnung, man muß ja ein Ziel vor Augen haben.“

Warum sich die Lauterer so schwer tun mit der Rede vom nationalen Titel, ist nur schwer nachvollziehbar. An der Angst vor der eigenen Courage kann's beileibe nicht liegen.

„Zittern gibt's nicht“, stellte Keßler kategorisch fest. Und faßte nur in Worte, was seine Angestellten über fast die ganzen 90 Minuten boten. Vor allem in der ersten Halbzeit gestaltete der Spitzenreiter die Partie derart kompakt und souverän, daß man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte: Der 1. FC Kaiserslautern ist derzeit der einzige Bundesligist, der Meister werden kann – ob er will oder nicht.

Freilich mußten die Pfälzer Fortuna beanspruchen, als der VfB Stuttgart für kurze Minuten auf den Ausgleich drängte und nur der Pfosten selbigen durch Jonathan Akpoborie verhinderte. Natürlich hatte Stuttgarts Chef Gerhard Meyer-Vorfelder recht, wenn er für die Seinigen immerhin beanspruchen konnte, nur in Rückstand geraten zu sein durch „eine Chance, die ja gar keine war“.

Doch dieser Moment des Lapsus von Murat Yakin, den Buck und schlußendlich Hristov clever nutzten, hat den kleinen, feinen Unterschied zutage gebracht: Der 1. FC Kaiserslautern bietet zwar nicht gerade Augenschmaus, arbeitet aber mit unheimlicher Effizienz.

Lauterns Martin Wagner benennt das Erfolgsrezept so: „Die Chemie stimmt einfach in der Mannschaft.“ Gegen den VfB Stuttgart hat sie dergestalt gestimmt: Miroslav Kadlec kann die Defensive organisieren, Axel Roos gegnerische Spielgestalter fast gänzlich ausbooten, Ciriaco Sforza gewinnt die Zweikämpfe im Mittelfeld und spielt gescheite Pässe, Andreas Buck ist zuständig für geradliniges Flügelspiel und Marian Hristov mittlerweile für wichtige Tore.

Ein jeder hat eine Funktion zu erfüllen in des Rehhagels Spielanlage, ein jeder soll sich zum Profit der Mannschaft auf seine Stärke konzentrieren, um die Kräfte zu bündeln. Und dies scheint der Übungsleiter den Seinigen gewinnbringend vermittelt zu haben.

Es war wohl kein Zufall, daß Otto Rehhagel jenen Spieler hervorhob, der in letzter Zeit eher durch Schwächen in die Diskussion geraten war, gegen den VfB Stuttgart allerdings drei Punkte sicherte. „Andreas Reinke hat super gehalten“, lobte der Trainer seinen Keeper, „der hat die ganze Saison schon gut gehalten.“ Und überhaupt: „Das war alles klasse bisher.“ So spricht wohl nur jemand aus der Meisterklasse.

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Schneider, Verlaat (46. Djordjevic), Berthold – Haber, Soldo, Balakow, Yakin, Poschner (82. Ristic) – Akpoborie, Bobic

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Kadlec – Koch, Schönberg (87. Riedl) – Buck (84. Hrutka), Ratinho, Roos, Sforza, Wagner – Rische, Hristow – Zuschauer: 53.700

Tor: 0:1 Hristow (80.)