: Konfusion um Israels Geburtstag
Zweieinhalb Monate vor dem historischen Datum steht noch nicht fest, wann die Feiern beginnen. Drei Vorsitzende des Festausschusses sind zurückgetreten ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Abgesagt ist sie noch nicht, die offizielle Gala-Feier zu Israels 50. Geburtstag am 30. April. Doch statt im großen Stadion von Ramat Gan, wie ursprünglich geplant, soll sie nun in einem kleineren in Jerusalem stattfinden. Und zwar, um die politische Bedeutung Jerusalems als Hauptstadt Israels zu unterstreichen. Das Gala-Fest sollte eigentlich direkt in die USA übertragen werden. Doch wegen der Verlegung ins kleinere Stadion stieg der US-Fernsehsender NBC aus dem Projekt wieder aus.
Unklarheit herrscht auch immer noch darüber, wann die offiziellen Feierlichkeiten überhaupt beginnen sollen. Mal nennt die Pressesprecherin des Festausschusses den 30. April. Dann wieder heißt es, sie begännen im März, die Veranstaltung selbst sei aber noch nicht festgelegt. Und das Büro des Ministerpräsidenten läßt verlauten, Benjamin Netanjahu wolle schon einmal ein paar Bäumchen pflanzen und damit den Reigen der Feierlichkeiten einleiten.
Andere wiederum sagen, die Feiern hätten schon längst begonnen, und zwar mit dem jüdischen Lichterfest Chanukka am 23. Dezember vergangenen Jahres, als Staatsmänner von Bill Clinton bis Helmut Kohl Kerzen auf einem jüdischen Leuchter ansteckten, um Israel zum 50. Geburtstag zu gratulieren. Davon aber wußte wiederum Israels Präsident Ezer Weizmann nichts, der den Abend mit äthiopischen Immigranten verbrachte und die internationale „Lichterkette“ lediglich wohlwollend zur Kenntnis nahm.
Die Konfusion um den herausragenden Geburtstag ist groß. Drei Vorsitzende des Festauschusses sind im Laufe eines Jahres zurückgetreten, der letzte vor drei Wochen. Und zu allem Überfluß legte Anfang Februar auch noch Tourismusminister Moshe Katzav seine ministerielle Verantwortung für die Feiern nieder, nachdem sich das Büro des Ministerpräsidenten der Kritik an Katzav angeschlossen hatte, der angeblich jeden Vorschlag des Ausschusses blockiere.
Freilich waren die Vorschläge nicht immer von besonderer Qualität. So tat sich der letzte Vorsitzende des Festausschusses, Ex- Finanzminister Moda'i, dadurch hervor, daß er zum 50. Jahrestag eine Generalamnestie für alle jüdischen Häftlinge forderte und damit einen Sturm der Entrüstung und eine hitzige, aber fruchtlose Debatte über das Für und Wider einer solchen Amnestie auslöste. Auch seine Vorgänger waren von Kritik nicht verschont geblieben. Die Bewilligung üppiger Gehälter für die eigene Mannschaft, Vetternwirtschaft und schlicht Unfähigkeit zählen zu den Vorwürfen, die sie aus dem Amte trieben.
Überdies macht ein schier undurchschaubares bürokratisches Gewirr von Ausschüssen, Beratungsgremien und ministeriellen Komitees die Planungsarbeit nicht leichter. Ursprünglich sollten die Feiern in Israel mit Veranstaltungen der jüdischen Gemeinden im Ausland, vor allem in den USA, koordiniert werden, wobei dem jüdischen Festausschuß in den USA die gleiche Planungshoheit zugesprochen wurde. Wegen „unangemessen hoher Ausgaben“ für Autos, Reisen und Hotels weigerte sich die israelische Regierung allerdings, die in den USA angefallenen Umkosten des Festausschusses zu bezahlen. Auf erwartete Spendengelder mußte der Festausschuß verzichten, weil der schwelende Streit zwischen Reformjuden und Orthodoxen um das Konvertierungsgesetz, das festlegt, wer in Israel als Jude anerkannt wird, die Spendenbereitschaft der US- Juden für die Festivitäten erheblich schmälerte. Die Koordination wurde eingestellt.
Gelder werden gekürzt, Projekte abgeblasen
Auch das Projekt, 50.000 junge Juden aus aller Welt nach Israel zu holen, wurde mangels Finanzen bereits im letzten Jahr ad acta gelegt. Und die Halbierung des israelischen Jubeletats von umgerechnet 125 Millionen auf gut 60 Millionen Mark machte alle ehrgeizigen Plänen endgültig zunichte.
Während die amerikanischen Juden inzwischen eine Veranstaltungsreihe mit Konzerten und Ausstellungen auf die Beine stellen konnten, deren Höhepunkt eine Fernsehshow mit dem Titel „Gruß an Israel“ Mitte April sein soll, gibt es in Israel noch keine verbindliche Veranstaltungsliste für die 50-Jahr-Feier. Die Idee, 5.000 „Gerechte unter den Völkern“, die Juden während der Nazi-Verfolgung geholfen haben, nach Israel einzuladen, scheiterte ebenfalls an den Finanzen.
Dasselbe Schicksal erlitt die Idee, alle jüdischen Nobelpreisträger und jüdischen Abgeordneten aus anderen Ländern nach Israel einzuladen. In Planung sind beispielsweise noch Aktivitäten wie eine gigantische Skulpturenausstellung, ein Musical mit dem Titel „Massada“, das in der ehemaligen jüdischen Festung aufgeführt werden soll, sowie die Finanzierung eines israelischen Pavillons auf der Expo 98 in Lissabon.
Eigentlich hätte die Regierung Netanjahu den Ruhm dieses israelischen Geburtstages einstreichen können. Doch das finanzielle und planerische Chaos hat jetzt die Kritiker auf den Plan gerufen. Sie verlangen statt kostspieliger Feiern sozialpolitische Projekte, die auf lange Sicht den benachteiligten Einwohnern Israels zugute kommen. Ein Kommentator der Tageszeitung Haaretz hielt es jüngst sogar für ausreichend, am Jahrestag einfach 100.000 Bäume in Jerusalem zu pflanzen. Die Irak-Krise und die mögliche Bedrohung durch chemische oder biologische Waffen haben die Festtagsatmosphäre in Israel nicht eben erhöht. Und die Krise im Friedensprozeß mit den Palästinensern wirkt auch nicht stimmungsfördernd. In jedem Falle wird der Regierung Netanjahu vorgehalten, nicht einmal einen 50. Geburtstag ordentlich organisieren zu können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen