Nur hinter vorgehaltener Hand

Die Bundeswehr hat vielfältige Möglichkeiten, unliebsame Oppositionelle aus ihren Reihen zu halten und Meinungsäußerungen mit Repressalien zu ahnden  ■ Aus Freiburg Christian Rath

Mit einem umfangreichen Instrumentarium kann die Bundeswehr versuchen, ihre Reihen „sauber“ zu halten. Wer durch links- oder rechtsradikale Aktivitäten das „Ansehen“ der Truppe stören könnte, darf diskriminiert werden. Leicht sind auch politische Dienstvergehen zu konstruieren. Politische Freiheiten gelten bei der Bundeswehr nur mit großen Einschränkungen.

So ist im Wehrpflichtgesetz geregelt, daß junge Männer vom Wehrdienst „zurückgestellt“ werden können, wenn ihre Einberufung „die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft gefährden würde“. Aus ähnlichen Gründen ist auch eine spätere Entlassung von Wehrpflichtigen möglich. Nach welchen Kriterien die Bundeswehr im Falle der acht NPD-Jungfunktionäre vorging, wird weitgehend im dunkeln gelassen. „Es gibt keine offizielle Linie, wir prüfen jeden Einzelfall individuell“, hieß es gestern beim Verteidigungsministerium.

Soweit gezielt Mitglieder bestimmter Parteien aus den Streitkräften ferngehalten werden, entstehen ähnliche verfassungsrechtliche Probleme wie bei den „Berufsverboten“ im öffentlichen Dienst. Zwar bestimmt das Grundgesetz, daß eine Partei nur durch das Verfassungsgericht verboten werden kann. Dieses „Parteienprivileg“ wird aber unterlaufen, wenn Funktionäre einer nicht verbotenen Partei (wie der NPD) individuellen Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Mit dem angekündigten Rechtsweg „bis zum Bundesverfassungsgericht“ werden die NPD-Kader dennoch wenig Erfolg haben. In Karlsruhe hatte man schon in den 70er Jahren gegen die Berufsverbote keine Einwände – solange der Eindruck einer „Einzelfallprüfung“ aufrechterhalten wird. Auch die Anprangerung legaler Parteien per Verfassungsschutzbericht stieß auf keinerlei Bedenken. Auf Klage der NPD entschied das Gericht 1975, es handele sich hier nur um staatliche Meinungsäußerungen, an die „keinerlei rechtliche Auswirkungen“ geknüpft seien. Vermutlich wird sich die Bundeswehr bei ihren „Einzelfallprüfungen“ aber ganz maßgeblich auf Verfassungsschutzberichte stützen.

Auch wenn nicht schon nach der bloßen Parteizugehörigkeit ausgesiebt wird, haben es die Anhänger systemoppositioneller Positionen schwer bei der Bundeswehr. Das Soldatengesetz verlangt, daß Wehrpflichtige ebenso wie Berufs- und Zeitsoldaten jederzeit für die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ eintreten, Soldaten, die die „Diktatur des Proletariats“ oder das „Führerprinzip“ bevorzugen, soll es nicht geben.

Nicht geduldet wird laut Gesetz auch jede politische Agitation bei der Truppe. So ist im Dienst jede einseitige politische Betätigung ausdrücklich verboten, Vorgesetzten wird eingeschärft, daß sie ihre Untergebenen nicht politisch beeinflussen dürfen. „Unberührt“ bleibt im Soldatengesetz nur das Recht „im Gespräche mit Kameraden“ die eigene Meinung zu äußern. Lehrreich ist allerdings der Fall eines Soldaten, der im Kamaradenkreis gesagt hatte, bei der Bundeswehr werde die freie Meinungsäußerung durch Repressalien eingeschränkt. Zur Strafe mußte er drei Tage in Arrest; auch das Bundesverfassungsgericht hatte nichts dagegen einzuwenden.

Als unzulässig gilt außerdem die Sammlung von Anti-AKW-Unterschriften oder Aktivitäten von amnesty international. Zensiert wird das Auslegen von Zeitungen, das Tragen von Ansteckern oder das Anbringen von Autoaufklebern, falls der Wagen auf dem Kasernenhof geparkt wird. Außerhalb der Bundeswehr haben die Soldaten zwar größere Freiheiten, müssen dabei aber immer beachten, daß sie „das Ansehen der Bundeswehr nicht gefährden“. Ansonsten drohen Disziplinarstrafen. Verboten ist es auch, in Uniform an politischen Veranstaltungen teilzunehmen. Polemische Äußerungen gegen die Bundeswehr können als Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft oder gegen die Wahrheitspflicht verfolgt werden.