Der Preiskrieg über den Wolken

Billigangebote von europäischen Fluggesellschaften unterschreiten Preise von Eisenbahnfahrten. EU-Kommission liberalisiert Luftverkehrsmarkt weiter  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Der Preis ist heiß. Für 221 Mark inklusive Flughafengebühren fliegt die Deutsche BA (British Airways) von Frankfurt nach München und zurück. Da kann selbst die Bahn nicht mithalten. Mit dem schnellen ICE kostet der Spaß 264 Mark. Auch ökonomisch im Vorteil sind ökologisch bewußte BahnfahrerInnen also nur noch dann, wenn sie eine Bahncard besitzen. Doch ein Argument für die Bahn zählt trotz des Sparpreises der Deutschen BA noch immer: Mit dem ICE fahren die Reisenden in die Innenstadt Münchens und landen nicht 50 Kilometer außerhalb im Erdinger Moos.

Die Deutsche BA ist die Dumping-Line einer der größten europäischen Fluggesellschaften. Wie am Wochenende bekannt wurde, hat die Deutsche BA mit der Bundestagsverwaltung Billigflüge für Abgeordnete für die Strecken Bonn–Berlin und München–Berlin vereinbart und so die privatisierte Lufthansa ausgebootet. Jetzt will die Lufthansa selbst eine Dumping-Line für innerdeutsche Flüge einrichten, um konkurrieren zu können. Dabei hat Lufthansa im innerdeutschen Flugverkehr schon mit den normalen Preisen Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet.

Der Preiskrieg am Himmel ist ausgebrochen – nicht nur in Deutschland. Eine Dumping- Tochter der niederländischen KLM etwa fiegt von Amsterdam aus zum Minimaltarif nach London und zurück. Das wiederum ärgert die British Airways (BA). Möglich gemacht hat den scharfen Wettbewerb in der Luft die Liberalisierung des Flugverkehrs in der Europäischen Union. Die wurde vor jetzt zehn Jahren beschlossen und ist heute in fast jedem Mitgliedsland der EU umgesetzt. Und die EU-Kommission führt Assoziierungsverhandlungen mit den USA, der Schweiz und den Reformstaaten in Osteuropa.

In Detailfragen nicht immer mit Erfolg, wie Michael Niejahr von der Direktion Luftverkehr der EU-Kommission beim Luftverkehrsforum der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) in der vergangenen Woche einräumen mußte. So fordern etwa die US-Amerikaner, die ihre nationale Luftaufsichtsbehörde schon in den 80er Jahren aufgelöst und „völlige Freizügigkeit am Boden und in der Luft“ zugelassen haben, gleiche Wettbewerbsbedingungen auch in Europa: der preiswerteste Anbieter müsse den Zuschlag bekommen.

Das sei zwar im Prinzip eine berechtigte Forderung, sagte Niejahr. Und deshalb werde die EU-Kommission auch nicht, wie von verschiedenen Fluggesellschaften gefordert, gegen die Billiganbieter Deutsche BA oder die Tochtergesellschaft der KLM vorgehen. „Das sprengt nicht den Rahmen der von der EU festgelegten Bedingungen für den Wettbewerb.“ Doch auch die etablierten Abfertigungsdienste der Flughafenbetreibergesellschaften bekommen Schonfristen von der Kommission, so daß der freie Wettbewerb unter den Abfertigern erst in einigen Jahren beginnen wird. Dies geschieht nicht zuletzt, um Arbeitsplätze zu sichern. So bekam der Flughafen Frankfurt/Main jüngst zwei Jahre Aufschub für die völlige Freigabe.

Auch bei den Sicherheitskontrollen an den Maschinen und bei der Passagier- und Gepäckabfertigung könnten keine auflagenfreien Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, erklärte Niejahr. Hier strebe die EU eine völlige Harmonisierung der Bedingungen auf allen Flughäfen in Europa an. Das Ziel aller Bemühungen der EU-Kommission bleibe die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, sagte Niejahr weiter. Der Luftverkehrsmarkt auch mit der Luftfahrtindustrie sei schließlich einer der letzten Wachstumsmärkte in Europa. „Die Luftfahrtindustrie ist mit den Herstellern von Luftfahrtgeräten, den Fluggesellschaften, den Flughäfen und der Flugsicherung sowie der am Luftverkehr beteiligten Dienst- und Sachleistungsbetriebe eine strategische Schlüsselindustrie“, konstatierte denn auch das Vorstandsmitglied der DVWG, Heinrich Beder. Ein heiß umkämpfter Markt – nicht nur in der Luft und bei der Abfertigung am Boden. Nach einer Studie der DVWG arbeiten weltweit 22 Millionen Menschen in der Luftfahrtindustrie. In Regionen mit einer entwickelten Luftfahrtindustrie und einem Großflughafen würden Wachstumsraten von 3,3 Prozent bis 9,2 Prozent pro Jahr erzielt.

Wie steht es deshalb um den Wettbewerb der Großflughäfen in der EU untereinander? Wo sind staatliche Subventionen Beiträge zur Wettbewerbsverzerrung? Oder einfach nur legale öffentliche Unterstützungsmaßnahmen zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in einer Region? Alles Fragen, die auf dem Luftverkehrsforum unbeantwortet blieben. Verbindliche Kriterien dazu hat die EU-Kommission noch nicht entwickelt. Nur so viel war dem Vertreter der Kommission, Niejahr, zu entlocken: „Wettbewerb ist auch hier erwünscht.“ Aber wenn etwa das Land Hessen der Frankfurter Flughafen AG ein neues Terminal bauen würde, das nur von Lufthansa benutzt werden dürfte, werde die Wettbewerbskommissarin der EU wohl ihr Veto einlegen.

Daß es auch ganz anders geht, berichtete ein Teilnehmer des Luftverkehrsforums aus Amsterdam. Der Flughafen Schiphol, der durchaus noch über Expansionsraum verfüge, verzichte auf einen weiteren Ausbau – aus ökologischen Gründen. Der Bevölkerung seien keine zusätzlichen Abgas- oder Lärmbelastungen mehr zuzumuten.