Kein Freifahrschein für Homos

Europäischer Gerichtshof weist Klage einer lesbischen Arbeitnehmerin auf Gleichstellung ab. Schwulen- und Lesbenorganisationen fordern die Politik zum Handeln auf  ■ Von Christian Rath

Karlsruhe (taz) – Schwule und lesbische Lebensgemeinschaften dürfen in Europa weiter diskriminiert werden. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und verzichtete damit auf ein mutiges Urteil, obwohl der dänische EuGH- Generalanwalt Michael Elmer dies ausdrücklich befürwortet hatte.

Ins Rollen gebracht wurde das Verfahren von der britischen Bahnangestellten Lisa Grant, die gegen ihren Arbeitgeber, die Bahngesellschaft South West Trains in Southampton, klagte. Bei diesem Unternehmen bekamen nicht nur die Beschäftigten und ihre Ehegatten begünstigte Zugfahrkarten, sondern auch nichteheliche Lebenspartner. Voraussetzung dabei: Der Lebenspartner mußte dem jeweils „anderen Geschlecht“ angehören. Das aber war bei Lisa Grant, die mit ihrer Freundin zusammenlebt, nicht der Fall. Das zuständige englische Gericht legte den Fall dem EuGH vor, und zuerst sah es auch so aus, als ob der im Sinne von Lisa Grant entscheiden könnte. Immerhin hatte sich EuGH-Generalanwalt Elmer in seinem Schlußplädoyer dafür ausgesprochen, eine Verletzung von Europarecht anzunehmen (siehe taz vom 1. 10. 1998). Normalerweise folgt der EuGH seinen Generalanwälten.

Da es auf europäischer Ebene noch keine Regelungen gegen die Diskriminierung von Homosexuellen gibt, mußte Elmer allerdings auf die Richtlinie zur Gleichstellung von Mann und Frau zurückgreifen. Er verglich dabei die Situation von Lisa Grant mit der ihres Amtsvorgängers. Während dem Mann für seine Freundin verbilligte Fahrkarten gewährt wurden, wurden sie Lisa Grant für ihre Partnerin verweigert. Also sei, so Elmers Schlußfolgerung, eine Diskriminierung „aufgrund des Geschlechts“ gegeben.

Diese Argumentation war dem EuGH nun wohl doch etwas zu mutig. Obwohl das Gericht erst im Mai 1996 zugelassen hatte, daß sich auch Transsexuelle auf die Gleichberechtigungsrichtlinie stützen, wollte es bei Schwulen und Lesben diesen Weg nicht mehr mitgehen. Die Diskriminierung treffe nämlich männliche und weibliche Homosexuelle „in gleicher Weise“. Eine Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung sei dagegen beim „gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts“ noch nicht verboten.

Dies könnte sich allerdings nach Verabschiedung des Amsterdamer Vertrags ändern. Dort wird der EU-Ministerrat ausdrücklich ermächtigt, „Vorkehrungen“ gegen Diskriminierungen aufgrund „der sexuellen Ausrichtung“ zu treffen. Allerdings müssen die Mitgliedsstaaten bei der Schaffung solcher EU-Rechtsakte einstimmig vorgehen. Immerhin hat der EuGH gestern ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Für Fritzie Timmermann vom Lesbenring war das EuGH-Urteil gerade deshalb erfreulich: „Endlich erklärt ein Gericht, daß hier Lücken im Rechtsschutz bestehen.“ Karl-Heinz Hagendorf, der Geschäftsführer des Schwulenverbands Deutschland (SVD), zeigte sich dagegen „enttäuscht“.

Übereinstimmend forderten beide Organisationen, daß nun die Politik aktiv werden müsse. „Das Urteil zeigt, wie notwendig es ist, daß Bund und Länder endlich Antidiskriminierungsgesetze erlassen“, betonte Hagendorf.(Az.: C 249/96)