BVG: Mit Lohnraub den Konkurs verhindern

■ Vorstand der Verkehrsbetriebe plant die Gründung einer privaten Betreibergesellschaft, die die Beschäftigten der alten BVG ausleihen soll. Künftig nur noch 70 Prozent des Lohns. Gewerkschaften: Ver

Wer in Zukunft bei der BVG einen Arbeitsvertrag unterschreibt, soll bis zu 30 Prozent weniger verdienen als die heutigen Beschäftigten. Das geht nach Informationen der Gewerkschaft ÖTV aus einem Plan für die Neuorganisation der Verkehrsbetriebe hervor, den der BVG-Vorstand befürwortet. BVG-Sprecher Klaus Watzlack wollte dazu gestern keine Stellung nehmen.

Das Modell sehe vor, die BVG in zwei Unternehmen zu spalten, erklärt ÖTV-Sekretär Frank Bäsler. Wie heute würde die landeseigene Anstalt öffentlichen Rechts das Personal beschäftigen, die Straßenbahnschienen und U- Bahn-Tunnel pflegen und möglicherweise auch den Fuhrpark besitzen. Für den Fahrdienst allerdings soll das Land eine privatrechtliche Aktiengesellschaft gründen, die den Betrieb der Busse und Bahnen organisiert. Die Betreibergesellschaft würde die dafür notwendigen FahrerInnen von der Anstalt ausleihen sowie für die Benutzung der Schienen und Fahrzeuge Miete zahlen – so schlägt es die Unternehmensberatung Bossard in einem Gutachten für den BVG-Vorstand vor.

Im Gegensatz zur heutigen BVG mit ihrem jährlichen Defizit von rund einer Milliarde Mark soll die private Betreibergesellschaft kostendeckend arbeiten. Das will der Vorstand mit einem Trick erreichen: Die neue Firma bezahlt dem ausgeliehenen Personal nicht den Tarif für öffentliche Beschäftigte, sondern den rund 30 Prozent niedrigeren Lohn des privaten Verkehrsgewerbes. Damit die BVG-Beschäftigten aber nicht schlechter gestellt werden als vorher, stockt die landeseigene Anstalt die Bezahlung auf die bisherige Höhe auf.

Doch nur diejenigen Angestellten und Arbeiter bekommen unter dem Strich den alten Lohn, die zum Zeitpunkt der Unternehmensspaltung schon bei der BVG auf der Lohnliste standen. Gehen alte BVGler in Rente, werde die Betreibergesellschaft nach und nach eigenes Personal als Ersatz einstellen, schätzt der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer. „Und die bekommen dann automatisch die niedrigere Bezahlung“, so Cramer. „Früher hätten wir das als Lohnraub bezeichnet.“

Der BVG-Vorstand will sich mit dem neuen Modell auf den kommenden Wettbewerb einstellen: Eine Richtlinie der Europäischen Union sieht vor, daß spätestens ab 2002 öffentliche Verkehrslinien ausgeschrieben werden müssen. Um dann nicht unterzugehen, plant die Unternehmensleitung, die Kosten in einigen Bereichen mit allen Mitteln zu senken. Die Alternative sei der Konkurs der gesamten BVG, so der Vorstand.

Mit Hinweis auf diese für das Land extrem teure Variante hoffen die BVG-Oberen die Zustimmung des Senats für ihre Pläne zu erhalten. Zwar bleibe zunächst das gigantische Defizit, hervorgerufen auch durch den Unterhalt der teuren Gleisanlagen, komplett bei der landeseigenen Anstalt. Doch der Verlust werde geringer, denn die alten BVGler würden allmählich in Rente gehen, während die neuen Beschäftigten bei der privaten Betreibergesellschaft angestellt seien.

Wie auch im Falle der Wasserbetriebe macht nun die ÖTV gegen die Teilprivatisierung des Unternehmens mobil. Die Kosten blieben sozialisiert, während die zukünftigen Gewinne privatisiert würden, bemängelt ÖTV-Sprecher Kock. Gewerkschaftssekretär Bäsler macht sich dafür stark, daß die BVG als öffentliche Einheit erhalten bleibt. Um in der späteren Konkurrenz bestehen zu können, soll im Unternehmen die Produktivität der Beschäftigten gesteigert werden. Die Gewerkschaft habe dazu Einsparmaßnahmen im Wert von 130 Millionen Mark vorgeschlagen, worüber der Vorstand aber nicht reden wolle, so Bäsler. Hannes Koch