Europa verlangt besseren Sprit

■ Parlament in Straßburg will Ölmultis zwingen, den Schwefelgehalt in Kfz-Treibstoff drastisch zu senken

Brüssel (taz) – Die Lobbyisten der Ölkonzerne appellierten an die schlechten Manieren der Europaabgeordneten. Sie sollten doch einfach etwas früher zum Essen gehen, wurde einigen von ihnen telefonisch eingeflüstert. Doch die Hoffnung der Ölmultis, daß bei der Abstimmung über schärfere Spritnormen gar nicht erst genügend Abgeordnete anwesend sind, erfüllte sich nicht. Mit großer Mehrheit beschloß das Europaparlament gestern mittag, den Schwefelgehalt in Benzin und Diesel ab 2005 drastisch zu senken.

Im Lager der Industrie hatte es vorher heftige Auseinandersetzungen gegeben. Denn selbst die Autohersteller, sonst meist in einem Boot mit der Ölindustrie, unterstützten diesmal die Umweltschützer. Die Autobauer stehen unter dem Druck der Parlamente wie auch der Kundschaft, die umweltgerechtere Fahrzeuge wünschen. Dazu kommt, daß viele von den Autoherstellern bereits bessere Motoren entwickelt haben, die sie aber in Europa wegen des zu hohen Schwefelanteils im Benzin nicht einsetzen. Vor allem die Katalysatoren leiden zu sehr unter dem Schwefel.

Doch die Entwicklung besserer Motoren sei weitgehend ausgereizt, meint der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange. Eine entscheidende Reduzierung der Abgase sei nur noch über die Senkung des Schwefelgehalts im Sprit zu erreichen. Wenn Diesel und Benzin statt der derzeit üblichen 500 ppm Schwefel (das entspricht 0,05 Prozent) ab 2005 nur noch 50 ppm haben darf, wie vom Europaparlament jetzt beschlossen, dann sinkt allein der Ausstoß an Kohlenwasserstoff um mehr als ein Drittel, Stickoxide werden um ein Viertel reduziert.

Im Gegensatz zu schärferen Kfz-Normen, die immer nur für Neuwagen gelten, verbessern die Spritvorschriften auch die Abgase von Altautos. Ab 2010 sollen nach den Vorstellungen des Parlaments nur noch 30 ppm erlaubt sein. „Technisch ist das kein Problem“, meint der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange, „in Japan, den USA und selbst in Schweden sind die niedrigen Grenzwerte längst Vorschrift.“ Dort hätten die Ölkonzerne offensichtlich kein Problem, schwefelarmes Diesel und Benzin anzubieten.

Doch in Europa stehen noch viele alte Raffinerien. Die Ölfirmen jammern deshalb, daß ihnen Investitionen von 40 bis 60 Milliarden Mark aufgehalst würden. Unabhängige Experten halten die Zahlen allerdings für grob übertrieben, sie rechnen mit höchstens zwei Milliarden Mark. Umgerechnet auf den Liter Benzin macht das ein bis zwei Pfennig aus.

Doch im Gegensatz zum Europaparlament haben sich die 15 EU- Umweltminister von den Argumenten der Öllobby beeindrucken lassen. Sie wollen die Schwefelwerte bis 2005 bei Benzin nur auf 100 ppm absenken, bei Diesel sogar nur auf 200 ppm. Für das Jahr 2010 haben sie noch gar keine konkreten Vorstellungen.

Da das Europaparlament in diesem Fall ein Mitentscheidungsrecht hat, wird es nun zu einem Vermittlungsverfahren kommen, bei dem das Parlament gute Chancen hat, sich weitgehend durchzusetzen. Denn auch bei den Umweltministern sind einige für schärfere Normen, konnten sich aber nicht durchsetzen. Alois Berger