Hochnotpeinliche BSE-Schlamperei

Angebliches Schweizer BSE-Rind in Bayern verwechselt — Probleme in Deutschland offensichtlich  ■ Aus Memmingen Klaus Wittmann

Mit fester Überzeugung in der Stimme, hatte die bayerische Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) am 19. September vergangenen Jahres bei einer Pressekonferenz anläßlich des angeblich ersten BSE-Rindes aus der Schweiz erklärt: „Selbst wenn bei 3.000 Tieren nur ein Tier darunter ist, bei dem sich der Verdacht bestätigt, dann war es gerechtfertigt und richtig, eine solche Tötungsaktion durchzuführen.“ In den Augen vieler betroffener Züchter war das nicht mehr als die Rhetorik einer Ministerin, die die Massenschlachtungen nicht mehr rückgängig machen kann.

Schweizer Forscher haben das von den Bayern angelieferte Gewebe untersucht. Es bestünden keine Zweifel, daß die Gehirnproben von einem BSE-infizierten Rind stammen – die Frage sei nur, von welchem, sagt Professor Marc Vandevelde, BSE-Experte an der Uni Bern. „Das Tier, von dem diese Probe stammte, ist sicher nicht die Anita.“ So hieß das Tier, das im vergangenen Jahr mit dafür herhalten mußte, die Schweizer Rinder als gefährlich zu erklären.

Anita wurde aus der Schweiz importiert. Dabei ging die Ohrmarke verloren. Die deutschen Behörden behaupteten trotzdem, die Herkunft zweifelsfrei zu kennen. Das Tier – angeblich Anita – hieß in Deutschland nun Maise und bekam BSE. Doch nun stellt sich heraus, daß die Herkunft alles andere als zweifelsfrei geklärt ist. Die Ohrmarke ist weg und der Abstammungsnachweis auch. Nun wird mit Nachdruck die Forderung erhoben, Deutschland müsse sich umgehend erklären. Schließlich könne das Tier von überall her kommen.

Der Unterallgäuer Züchter von Schweizer Rindern, Andreas Blank, hatte die Schweizer Behörden wiederholt auf Ungereimtheiten aufmerksam gemacht. Verwechslungen, so Blank, seien keine Ausnahme. „Das ist dasselbe Spiel wie bei Cindy, dem BSE-Galloway-Rind, das mal als Scottish Queen, mal als Rita verkauft wurde. Dieses Untersuchungsergebnis zeigt, daß hier in Deutschland allein schon beim Viehkennzeichnungssystem einiges im Argen ist. Und gerade wir Deutschen und die verantwortlichen Behörden haben sich als die Schulmeister in Europa aufgespielt, und sie sind jetzt vorgeführt worden.“ Auch die Leiterin des „Projekts BSE“ am Schweizer Bundesamt für Veterinärwesen fordert von Deutschland umgehende Aufklärung.

Doch danach sieht es hierzulande nicht aus. Im Bundeslandwirtschaftsministerium hieß es, es sei wohl richtig, daß der Abstammungsnachweis nicht mit den untersuchten Gehirnproben übereinstimme. Es müsse sich noch zeigen, ob da geschlampt wurde. Aber Ansprechpartner sei der Freistaat Bayern. Im zuständigen Sozialministerium dort heißt es, nach den Schweizer Feststellungen habe das Ministerium die Veterinärbehörden im Freistaat angewiesen, „in enger Zusammenarbeit mit den Bundes- und den Schweizer Behörden die Angelegenheit noch einmal genau zu untersuchen.“

Auf Nachfrage erklärt Hans- Werner Merk, der zuständige Veterinär im Ministerium: „Das Tier hatte ursprünglich eine Schweizer Ohrmarke. Es hat diese Ohrmarke verloren.“ Wo genau, lasse sich nicht sagen, vermutlich aber im Bestand auf dem Hof bei Neu- Ulm. Es bestünden somit berechtigte Zweifel an der zunächst angegebenen Abstammung des Tieres, nicht aber daran, daß es aus der Schweiz komme.

Was aber heißt das alles für den verunsicherten Verbraucher? Der Duisburger Rechtsanwalt Dirk Büge, der mehr als 100 deutsche Bauern in Sachen BSE-Tötungsanordnung vertritt, meint, „die deutsche Bevölkerung muß keine Angst vor BSE haben, auch nicht vor Rindern aus der Schweiz oder Großbritannien. Angst machen sollte uns vielmehr das Verhalten von Politikern und Beamten, die ihre Entscheidungen zu so wichtigen Themen auf eine offenbar inkompetente und schlampig ermittelte Grundlage stellen und somit in verantwortungsloser Weise großen Schaden bei den zu Unrecht Verfolgten, also den Rinderzüchtern, anrichten.“