Die Schlacht der Lügen

Achtung, keine Satire: In seiner Politkomödie „Wag The Dog“ seziert Barry Levinson messerscharf die Wechselwirkung von Politik, Medien und Showbiz  ■ Von Thomas Klein

Leaking oder die Kunst, die richtigen, also falschen Informationen ins Mediengetriebe zu streuen: Das ist die leichteste Übung für Conrad Brean (Robert De Niro). Auch deshalb hat das Weiße Haus den legendären „spin doctor“ angeheuert. Denn der Präsident der Vereinigten Staaten hat elf Tage vor der Wahl ein kleines Problem wegen sexueller Belästigung einer jungen Frau, man kennt das ja. Deshalb besteht Breans erste Amtshandlung zum Zeitgewinn im gezielten „leak“, und prompt verbeißt sich die Journaille erstmals in die erlogene Geschichte vom eventuellen Einsatz des fiktiven B-3- Bombers im „Krisengebiet“.

Aber dann muß Brean erst mal eine geeignte Krise (er-)finden, er braucht schon eine deutlich größere Show, damit das angebliche präsidiale Betatschen einer Pfadfinderin rechtzeitig zum Wahltag in Vergessenheit gerät. Dessen Gegner läßt schon TV-Spots senden, in denen Bilder des Weißen Hauses mit Maurice Chevaliers „Thank Heaven for Little Girls“ unterlegt sind. Deshalb wendet sich Brean, begleitet von der eher naiven Präsidenten-Beraterin Ames (Anne Heche), an den Hollywood-Produzenten Motss (Dustin Hoffman). Ein Krieg muß her, die Smart-Bombs müssen wieder in die Schornsteine stürzen, die medienerprobte Militärmaschinerie muß wieder heldisch Truth, Justice & The American way gegen einen obskuren Gegner verteidigen, nämlich Albanien. „Was hat uns Albanien getan?“ wird gefragt. „Was“, so der Realitätsklempner Brean, „hat Albanien je für uns getan?“

Der eitle Filmproduzent Motss versammelt sein Team, und dann geht's los. Ein komplett erfundener Konflikt mit der „Atommacht“ Albanien wird vom Zaun gebrochen und in mundgerechten Häppchen an die Medien weitergereicht. Am Ende des 20. Jahrhunderts kann kein Krieg mehr ohne televisionäre Stimmungsmache beginnen, also wird im Studio mal eben eine Schauspielerin vor die Blue Box gejagt, um nach Computer-Bearbeitung als geschundene Albanerin durch ein Kriegsgebiet zu taumeln (Regisseur: „Sucht mal die Anne-Frank-Geräusche raus...“).

Da mag sich dann die CIA einmischen, wie sie will mit ihren kleinlichen Beschuldigungen und der Information, daß es keine albanischen Atomwaffen gibt, die über die kanadische Grenze geschmuggelt werden sollen. Wenn in bester We-Are-The-World-Manier der offizielle Song zum Albanienkrieg eingespielt wird, sind der Krieg und die Wiederwahl des Präsidenten eigentlich schon im Kasten. In „Wag the Dog“ wedelt der Schwanz mit dem Hund, die Medien-Manipulatoren mit der Öffentlichkeit. Das wird als Satire verkauft, ist aber eigentlich keine, denn die ach so gewagte Aussage „Politik ist Showbusiness“ ist längst keine kabarettistisch-ironische Zuspitzung mehr.

Der amerikanische Vorzeigejournalist Tom Brokaw mag in der Polit-Illustrierten George erklären, daß selbst die Amateure im Pressekorps des Weißen Hauses die „Wag the Dog“-Inszenierung eines Krieges aufdecken würden. Damit meint er vielleicht die speziellen Details, aber die Maschinerie, mit der man Medien dressiert und Öffentlichkeit manipuliert, funktioniert. Seit Kennedy, Reagan, Clinton wird nur noch feinabgestimmt.

Was an „Wag The Dog“ wirklich überrascht, sind zwei Dinge. Einerseits der „Life imitates Art“- Effekt: Obwohl schon vor spätestens drei Monaten fertiggestellt, wirkt der Film heute, rechtzeitig zur erneuten Aufrüstung am Golf und der Lewinsky-Affäre, auf fast beunruhigende Weise tagesaktuell. Daß das Foto, das den anonymen „Wag The Dog“-Präsidenten zeigt, wie er sich vor einer Menschenmenge vertraulich zu der Pfadfinderin rüberbeugt, fast identisch ist mit dem bekannten Bild von Bill und Monica, kann einem schon angst machen.

Die andere Überraschung ist der Regisseur von „Wag The Dog“. Ausgerechnet Barry Levinson, der in den vergangenen Jahren allenfalls kunstgewerbliche Streifen drehte, seziert hier messerscharf und bitterböse, wie Politik funktioniert. Sicherlich, die Buchvorlage wurde ihm von seinen beiden Hauptdarstellern zugespielt, und das Skript für die 15 Millionen Dollar billige Produktion stammt von David Mamet. Doch der Hintersinn und die Treffsicherheit, mit der Levinson hier Gesellschaftskritik irgendwo zwischen „Bob Roberts“ und „Dr. Seltsam“ inszeniert, sind bemerkenswert und mutig. Natürlich kann man an dem großartig besetzten und gespielten Film auch Kritik üben – ab der Mitte verläuft sich „Wag The Dog“ etwas, hat seine Längen und rutscht zum Finale in schwarzen, klamottigen Humor ab. An diesem Punkt haben Levinson und Mamet, De Niro und Hoffman jedoch längst Zweifel am System gestreut und einem die fragwürdige Wechselwirkung zwischen Politik und Medien ausreichend um die Ohren gehauen. Hoffmans Produzent sagt über seinen Show-Krieg: „Das ist Politik vom Feinsten!“ Das stimmt wahrscheinlich.

Wettbewerb: heute, 20 Uhr, Zoo Palast; 21.2., 12 Uhr, Royal Palast; 21 Uhr, Urania; 22.2., 22.30 Uhr, International