„Ich kann das nicht mit links machen“

■ Heinrich Klotz, der Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM), ist überraschend zurückgetreten. Von Amtsmüdigkeit kann jedoch nicht die Rede sein

Nach einer Sondersitzung des Stiftungsrates bekräftigte er in einer Pressekonferenz am Dienstag seinen Entschluß: Heinrich Klotz tritt als Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) sowie als Rektor der Hochschule für Gestaltung (HfG) zurück. Daß er das Rektorat der HfG niederlegen will, war bereits bekanntgeworden, sein Rücktritt als ZKM-Leiter zum 31.März hätte jedoch überraschender nicht kommen können. Sein Lebenswerk war nach achtjähriger Aufbauphase vor gerade mal vier Monaten eröffnet worden und gilt als einzigartiges Zentrum zur Erforschung und Präsentation neuer Medientechnologien. Zur Klärung der Nachfolgefrage wird eine Findungskommission eingesetzt. Die laufenden Geschäfte übernimmt ZKM-Geschäftsführer Gerd Schwandner.

Gerüchten und Spekulationen, er sei amtsmüde oder strebe gar das noch zu schaffende Amt eines Bundeskulturministers an, trat der 63jährige Kunsthistoriker Klotz entgegen. Grund für seine Entscheidung sei einzig und allein, daß er den letzten Teil des ZKM bis zum Herbst 1999 fertigstellen wolle: den Aufbau eines Sammlermuseums mit edlen Kunst-Stücken von Polke bis Lüpertz und Warhol bis Beuys aus dem Besitz baden- württembergischer Privatiers.

taz: Sie haben dementiert, daß es zu Zerwürfnissen mit der Stadt Karlsruhe oder dem Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gekommen sei. Spielte der Kampf um die finanzielle Grundausstattung des ZKM bei Ihrem Rücktritt eine Rolle?

Heinrich Klotz: Nein. Es war ganz einfach nicht mehr zu schaffen. Ich habe im Februar letzten Jahres den zusätzlichen Auftrag bekommen, das neue Sammlermuseum des ZKM aufzubauen, und da geht es für mich um wesentlich mehr: Ich will dieses Haus auf für mich befriedigende Art fertigstellen und dafür sorgen, daß aus dem Sammlermuseum kein Supermarkt wird.

Wo liegen die Überlastungen?

In der Hochschule für Gestaltung (HfG) zum Beispiel haben wir das einmalige Modell, daß Professoren nur für sechs Jahre berufen werden, und es kostete mich in den letzten Monaten die letzten Nerven, zehn Professoren auf einen Schlag zu berufen. Die HfG sollte von einem selbständigen Direktor geleitet werden, der nicht gleichzeitig von zwei weiteren überaus zeitaufwendigen Aufgaben in Anspruch genommen wird.

Noch mal zum Geld. Haben Sie nicht betont, daß ihr 14-Millionen-Budget für eine derart große Institution zu niedrig ist?

Es gibt natürlich das Problem, daß wir jetzt zwar zwei Millionen mehr bekommen, sich unsere Bauunterhaltskosten aber schon auf drei Millionen belaufen. Das reicht allerdings nicht hin, um zu sagen: Ich mach' das jetzt nicht mehr!

International wird dem ZKM ein hoher Standard bescheinigt. Kann man aus Ihren Statements die Angst heraushören, dieser Standard könnte verlorengehen?

Ich habe tatsächlich die Sorge, daß wir unsere einzigartigen technischen Einrichtungen nicht voll nutzen können. In unser Aufnahmestudio zum Beispiel, das es so in der Welt nicht noch einmal gibt, müssen wir eigentlich extensiv Komponisten, Künstler und Orchester einladen, ansonsten hat es sich nicht gelohnt.

Haben Sie Angst, Baden-Württembergs Kulturpolitiker könnten die Bedeutung des ZKM nicht erkennen?

Im Moment gibt es da kein Problem. Ich weiß allerdings nicht, ob es künftig möglich sein wird, das Bewußtsein dafür wachzuhalten, was für ein Instrument wir da zur Verfügung haben. Natürlich habe ich die Sorge, daß künftige Kulturpolitiker die Komplexität dieser Einrichtung nicht verstehen. Darum werde ich auf keinen Fall eine der berühmt-berüchtigten grauen Eminenzen im Hintergrund sein, sondern offensiv die Belange des ZKM vertreten.

Das ZKM strebt eine Kooperation mit der Wirtschaft sowie eine Vermarktung hier entwickelter anwendungsfähiger Technologie an. Fehlt da nicht Personal, zum Beispiel eine Stelle für Marketing?

Zuerst einmal: Im ZKM gibt es keine Auftragsarbeit für die Wirtschaft. Wir bekommen ein großes Forschungsprojekt wie das von der EU, die Integrierbarkeit virtueller Realitäten im Internet zu untersuchen, nur, wenn wir die Freiheit der Kunst auf unser Panier schreiben und ein Korrektiv der Wirtschaft sind. Es stimmt allerdings, daß wir ein Projekt wie dieses nach seinem Abschluß unter Umständen in alle Welt verkaufen können und dann tatsächlich eigens jemanden dafür einstellen müßten. Und es stimmt, daß uns auch andere Stellen wie die einer Veranstaltungsleitung fehlen.

Also doch Amtsmüdigkeit?

Nein, da bekommen Sie mich nicht hin. Das sind alles nicht Gründe, die Leitung des ZKM niederzulegen. Ich schmeiße nicht das Handtuch, sondern hätte das ZKM alleine im Gegenteil sehr gerne weitergeführt. Es ist ein wunderbares Instrument und es hat mich eine ungeheure Überwindung gekostet, ein halbes Jahr nach der Eröffnung die Leitung niederzulegen. Daß in der Presse der Begriff „Amtsmüdigkeit“ auftaucht, empfinde ich als Disqualifizierung meiner Person, und es zeigt mir, daß man nicht einschätzen kann, was der Aufbau des Sammlermuseum bedeutet. Das ist jetzt einfach an der Reihe, und ich kann das nicht mit links machen. Interview: Jürgen Berger