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Clan-Krieg in Neapel macht auch vor Kindern nicht halt

■ 13jähriger wird per Genickschuß getötet. Sein inhaftierter Bruder hatte aussagen wollen

Neapel (taz) – Daß die Camorra Neapels bei ihren Aktionen wenig Rücksicht auf anwesende Personen nimmt, ist bekannt. Nun aber wurde erstmals ein 13jähriger Junge vorsätzlich ermordet – mit einem Schuß in den Nacken, abgegeben von einem Killerduo auf einem Motorrad. Bürgermeister Antonio Bassolino steht „fassungslos vor der Tat“, hatte er doch geglaubt, die skrupellosen Schutzgeld-, Drogen-, Fälscher- und Zuhälterbanden in seiner Stadt durch Infrastruktur- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einigermaßen im Griff zu haben.

Der Mord an dem jungen Giovanni Gargiulo belehrt ihn eines Besseren: Zehn Morde in weniger als eineinhalb Wochen zählt die Polizei, seit am 9. Februar zwei Camorra-Familien an der östlichen Peripherie der süditalienischen Stadt aneinandergerieten. Eröffnet hatte die Feindseligkeiten der Clan Mazzarella, der sein altes Terrain im Viertel San Giovannia Teduccio offenbar zurückerobern möchte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: der inzwischen etablierte Clan Contini schlug zurück. Am 11. Februar fielen zwei Mazzarella-Gefolgsleute einem Killerkommando zum Opfer. Tags danach traf es einen weiteren Mann aus diesem Umfeld. Die Mazzarellas ballerten zurück.

Die Anschläge wurden von Tag zu Tag dreister. Das vorletzte Opfer war einer der Patriarchen des Mazarella-Clans, Vincenzo. Er wurde getötet, als er am vergangenen Montag vor dem neapolitanischen Zentralgefängnis die Freilassung seines Sohnes erwartete.

Der 13jährige Giovanni Gargiulo wird ebenfalls zum Mazzarella- Clan gerechnet. Dennoch sind sich die Behörden nicht sicher, ob der Mord mit dem Bandenkrieg zu tun hat. Denn kurz vor der Tat hatte offenbar ein einsitzender Bruder des Opfers seinen Ausstieg aus dem Gangstermilieu beschlossen – Grund genug, einen Verwandten umzubringen, um die Aussagen des Untreuen zu verhindern. Innenminister Giorgio Napolitano rief sofort nach Bekanntwerden des Mordes die Polizeichefs und Präfekten der Region Neapel zu sich. Außer dem Ruf nach neuen Gesetzen fiel den Beteiligten nichts ein. Deren hatte es in den letzten Jahren immer wieder gegeben, ohne daß das Morden gestoppt werden konnte. Faustregel ist, daß das Blutvergießen erst aufhört, wenn sich eine der Banden der anderen unterordnet. „Doch bis dahin“, so ein Ermittlungsbeamter, „kann viel Zeit vergehen. Die beiden Clans gehören zu den mitgliederstärksten in Neapel.“ Werner Raith

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