Italien verscherbelt seine Meeresküsten

■ Zehn Millionen Quadratmeter Strand zu privatisieren. Umweltschäden erwartet

Rom (taz) – Der guten Nachricht folgt die schlechte: Keine zwei Wochen ist es her, daß Italiens Behörden die Sprengung des Hotels Fuenti, einer der grauenvollsten Schwarzbauten an der Küste Amalfis, beschlossen und so wenigstens einmal Umweltbewußtsein bewiesen haben, da kommt aus dem Schatz- und dem Finanzministerium schlimme Kunde: Der Staat will sein gesamtes Eigentum an Küstengrundstücken und Bauten entlang der 6.000 Kilometer Meeresküste an Privatleute und -unternehmen verscherbeln.

An die zehn Millionen Quadratmeter Land – der Quadratmeter zu umgerechnet etwa hundert Mark – und zweieinhalb Millionen Quadratmeter bebaute Fläche – zum Durchschnittspreis von etwa 1.000 Mark pro Quadratmeter – will der Fiskus zum Kauf anbieten. Erhoffte Gesamteinnahmen: etwa dreieinhalb Milliarden Mark. Dazu sollen dann jährlich für Haus- und Grundsteuern sowie Müllbeseitigungsgebühren von etwa 1,3 Milliarden Mark ins Staatssäckel fließen.

Umweltschützer fallen aus allen Wolken. Denn daß ökologische Schäden in Italien weniger durch Atomkraft, Müllverbrennung oder Industrieabgase entstehen, sondern vor allem durch die gigantische Zahl von Schwarzbauten im ganzen Land, ist seit jeher Gemeingut aller Öko-Kampagnen.

Mehr als zehn Millionen illegale Bauten – Fabriken, Magazine, Reihaussiedlungen und schmucke Ferienvillen – stehen im Land und spotten jeder infrastrukturellen, statischen, wasser- und emissionstechnischen Norm. Ganze Regionen wurden zerstört, Wälder vernichtet, die Dünen an den Küsten mit Zement überzogen. Hunderte von Kilometern haben durch die baubedingte Erosion ihren Strand verloren. Viele der Gebäude stehen auf öffentlichem Grund, geduldet seinerzeit durch gutgeschmierte Behörden. Und auch der Staat selbst hat sich etwa bei der Errichtung von Marinebauten oder Erholungsheimen wenig um die Umweltnormen gekümmert.

Zwar versprechen nun die verkaufswilligen Finanzhüter, daß vorher noch genaustens die Legalität der Bauten festgestellt werden soll und alle Schwarzbauten abgerissen werden. Doch das wird sich wohl in Einzelaktion wie der Sprengung des Hotels Fuenti erschöpfen. Ganze Häuserzüge direkt am Meer, wiewohl allesamt illegal hochgezogen oder ungenehmigt auf öffentlichem Grund gebaut, wurden bereits jetzt als „nicht zum Abriß bestimmt“ ausgewiesen – vor allem Nobelsiedlungen, in denen VIPs ihre Sommerresidenzen haben.

Nach dem Verkauf, so fürchtet etwa die Umweltschutzorganisation Lega Ambiente, werde dann „die Schwarzbauerei einen neuen Boom erleben“.

Bisher konnte der Staat „in den meisten Fällen notfalls doch den Grund als sein Eigentum reklamieren und die Bauten beseitigen. Wird hier alles privat, werden zuallererst mächtige Zäune ringsherum wachsen und den Normalbürgern die Strände weggnehmen“. Und hinter den uneinsehbaren Umfriedungen „werden neue Bauten hochwachsen, wird der Rest unbebauter Küsten ebenfalls zubetoniert“.

Die letzte Rettung sehen die Umweltschützer nun nur noch in ein paar parlamentarischen Anfragen, mit deren Hilfe die Regierung zu Klartext gezwungen werden soll – mit einer gewissen Hoffnung, die Bürger dann gegen den Ausverkauf zu mobilisieren. Werner Raith