Schulte und Mai wissen nicht, wohin die Reise geht

■ Der erneute Ruf einiger Gewerkschaftschefs nach der 30-Stunden-Woche ist nichts als heiße Luft

Berlin (taz) – Um Details kümmern sich die Gewerkschaftschefs in diesen Tagen kaum, wenn sie die Platte mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen erneut auflegen. Herbert Mai, Vorsitzender der ÖTV, kam in dieser Woche als erster damit raus: Die 30-Stunden- Woche für alle sei das mittelfristige Ziel. Schon eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst brächte 131.000 neue Stellen, rechnete er in der Bild-Zeitung aus.

Am Montag allerdings ließ er die Sache relativieren. Ein Konzept, wie aus der mathematischen Formel ein Instrumentarium zur Arbeitsmarktplitik werden könnte, stecke nicht dahinter. Vielmehr habe der ÖTV-Chef auf eine hypothetische Frage eines Journalisten geantwortet, hieß es in der Pressestelle der Gewerkschaft. Herbert Mai hat nur ein bißchen heiße Luft fabriziert, könnte man meinen. Zumal Walter Riester, Vizechef der IG Metall, bereits seit dem vergangenen Jahr die Reform der verkrusteten Flächentarifverträge betont. Da ist der Ruf nach kollektiver Arbeitszeitverkürzung alles andere als hilfreich.

Doch einmal in der Welt, kauen alle auf diesem Satz herum. Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie, distanzierte sich. Arbeitgeber und Politiker jaulten kurz auf: „tödliches Konzept“, „Karnevalsscherz“. Die Kritiker werfen Mai vor, es sei eine Milchmädchenrechnung, daß für jede nicht geleistete Arbeitsstunde ein anderer beschäftigt werden kann.

Es sind die gleichen Reaktionen, die Klaus Zwickel, Chef der IG Metall, im vergangenen Jahr erntete, nachdem er die 32-Stunden-Woche propagiert hatte. Eigentlich sollten die Gewerkschafter aus dieser Debatte gelernt haben. Doch die Zwickel-Mai-Fraktion will die Oberhand behalten. Nun marschiert auch Dieter Schulte, DGB-Vorsitzender, mit: „Wir kommen ohne Arbeitsumverteilung auch zukünftig nicht aus, insofern volle Unterstützung der Überlegung, die Herbert Mai angestellt hat“, sagte er am Mittwoch in einem Rundfunkinterview. Wer sich darauf beziehe, daß die Arbeitszeit teurer werde, müsse sich fragen lassen, ob ihm die „Halbierung oder Herabsetzung der Arbeitslosigkeit überhaupt nichts wert“ sei.

Es klingt ja auch irgendwie plausibel, daß durch eine Umverteilung des Arbeitsvolumens mehr Menschen beschäftigt werden können. Aber welche Strategie beabsichtigt Schulte in der Praxis? Die Damen seiner Pressestelle bedauern: Ein Konzept sei ihnen nicht bekannt.

Die Antwort auf die wesentliche Frage scheinen allein die Gewerkschaftschefs zu kennen. Und sie müssen ja wissen, wohin die Reise geht. roga