Hungertod in der Psychiatrie

■ Das Anti-Folter-Komitee des Europarats wirft Rumänien massive Verletzung von Menschenrechten vor. Bericht spricht von verheerenden Zuständen in psychiatrischen Kliniken

Bukarest/Straßburg (taz) – Der Europarat hat Rumänien erneut wegen massiver Menschenrechtsverletzungen kritisiert. In einem Bericht, der gestern in Straßburg veröffentlicht wurde, wirft das Anti-Folter-Komitee des Europarats Rumänien vor, daß in einigen Psychiatrien „unmenschliche und verheerende Zustände herrschen“. Das Komitee kritisiert auch Haftbedingungen und unmenschliche Praktiken der Polizei bei Verhaftungen und Verhören.

Das Anti-Folter-Komitee des Europarats überwacht die Einhaltung der Anti-Folter-Konvention in den Unterzeichnerstaaten. Ihm gehören Ärzte, Juristen, Psychologen und andere Experten an. Bei einem Besuch des Komitees im Herbst 1995 in Rumänien hatten dessen Mitglieder in der Psychiatrie Poiana Mare schockierende und menschenunwürdige Verhältnisse vorgefunden. In der Anstalt seien 25 Menschen verhungert, heißt es in dem Bericht. Wegen katastrophaler hygienischer Bedingungen seien viele Patienten von Krätze befallen gewesen. Auch der Zustand des Gebäudes und die Unterbringung der Patienten seien katastrophal gewesen. So etwa funktionierte die Heizung nicht, und die elektrischen Installationen seien lebensgefährlich gewesen. Der Bericht wurde erst jetzt veröffentlicht, weil die rumänische Regierung zuvor ihre Zustimmung geben mußte. Bukarest suche zur Zeit die Zustände in den Psychiatrien zu verbessern, doch fehle es an Geld, heißt es in dem Bericht.

Zustände wie die in der Psychiatrie von Poiana Mare sind auch anderswo in Rumänien keine Seltenheit. Neben der schlechten Unterbringung und unzumutbaren hygienischen Bedingungen fehlt es an qualifiziertem Personal. In den letzten Wochen hat sich die Kritik an der Menschenrechtssituation in Rumänien verstärkt. Mitte letzter Woche mußte der Innenminister Gavril Dejeu der Menschenrechtskommission des rumänischen Parlaments wegen der Willkür der Polizei Rede und Antwort stehen. Auch hat Rumänien seit der Aufnahme in den Europarat 1993 noch immer nicht alle Bedingungen der Mitgliedschaft erfüllt. Keno Verseck