Des Führers letzter Hund

■ „Neue Freiheit – keine Jobs“, der neue Achternbusch-Film wurde gleichermaßen glücklicher- wie irrtümlicherweise von ORF kofinanziert

Seit Jahren präsentiert Herbert Achternbusch seine neuen Filme auf der Berlinale. Zumindest wenn er im Frühjahr fertig wurde, was ja nicht immer der Fall war. Ohne einen neuen Film des Münchner Dichters, Malers, Theater- und Filmregisseurs, der heuer sechzig wird, sind die Festspiele jedenfalls nur halb so schön. Schön ist es auch einen Achternbusch-Film mal in einem vollbesetzten, großen Kinosaal zu sehen. Da fühlt man sich nicht so allein mit den eigenen, seltsamen Vorlieben.

„Neue Freiheit – keine Jobs“, der dreiunddreißigste Film des letzten Autorenfilmers, der in Zusammenarbeit mit den Münchner Kammerspielen entstand, kommt sehr entspannt und vor allem in der ersten Hälfte sehr lustig daher.

Soweit es möglich ist, Achternbuschfilme zu erzählen, geht es um folgendes: Hick, ein Obdachloser, und Alter ego des Dichters (Hicks Last Stand – 1990) demonstriert in München für die Abschaffung des Kanzlers. Auf seinem Transparent steht: „Hilfe! Hilfe!“ und „Wer befreit mich von Helmut Kohl? Das Volk kann es nicht. Die Regierung kann es nicht. Er selbst kann es nicht. Als des Führers letzter Hund hetzt er durch Europa.“

Polizisten (gespielt von Kammerspielschauspielern) übernehmen das Plakat (allein das Bild ist schon großartig) und philosophieren über Deutschland, von dem nicht mehr viel übrigbleibt, nachdem sie festgestellt haben, daß Schleswig-Holstein doch eigentlich zu Dänemark, die DDR zu Polen, das Saarland sowieso zu Frankreich und Bayern eigentlich zu einer aus Österreich, Tschechien und Slovenien bestehenden Alpenrepublik gehören müßte. Die Polizisten halten eine Mahnwache, so lange, bis Helmut Kohl tatsächlich verschwunden ist. Früher waren sie mal Lehrer und Schauspieler. Sie sagen sehr komische, aufrührerische Sachen.

Der Münchner Bürgermeister (Christian Uhde) beruhigt das Volk und spricht tatsächlich den Satz von „des Führers letztem Hund“. Zwischendurch fordert eine Kinderdemo von den Obdachlosen (gespielt von echten), ihren Spielplatz rein zu halten, schöne Frauen mit Wunderkerzen im Haar kommen vorbei, und auf einer anderen Ebene des Films träumt Hick seine Version der Menschheitsgeschichte. Nackte schön bemalte „Baum-“ und „Schlangenmenschen“ werden in einer kubrickmäßigen Theaterlandschaft aus ihrer Traumzeit gerissen und entdecken den Fortschritt, der nur in die arbeitslose Jetztzeit führt. „Wir nehmen den Ort nicht in Besitz, wir träumen den Ort“, sagt einer von ihnen.

Den in neun Tagen weggedrehten, prima Film finanzierte Achternbusch mit Geldern, die ihm der ORF, der seinen letzten Streifen koproduzierte, irrtümlich überwiesen hatte. Statt 500.000 Schilling kamen 500.000 Mark! Nun muß Achternbusch sehen, wie er 430.000 Mark wieder zurückzahlt. Aber da Achternbusch davon überzeugt ist, daß es sich bei Kohl inzwischen um ein „Doppel“ handelt, das er, Achternbusch, leicht aussitzen wird, könnte ihm das vielleicht doch noch gelingen. Detelf Kuhlbrodt