■ Hinterbank: Apelts Doppelleben
Politik und Literatur verhalten sich zueinander wie Öl und Wasser. Doch dem CDU-Abgeordneten und Kreisvorsitzenden von Prenzlauer Berg gelingt es, beides miteinander zu verbinden. Andreas Apelt, der im politischen Leben zu den Rebellen der Union 2000 zählt, hat mit „Schneewalzer“ seinen Debütroman vorgelegt. Einen Heimatroman, der in einem verschlafenen Brandenburger Dorf spielt. Durch Presenchen – so heißt der Ort mit einem Dutzend Gehöften – fegt auf 240 Seiten die Geschichte: erst der Zweite Weltkrieg, dann der Sozialismus und zuletzt der Tagebau, der das Dorf verschlingt. Presenchen liegt 9 Kilometer von Luckau entfernt, dem Geburtsort Apelts. Die Begrenztheit des märkischen Landlebens hat der 40jährige trefflich eingefangen. Es sind Dorfgeschichten wie aus längst vergangenen Zeiten. Bevor die Gegenwart in Gestalt der deutschen Einheit in Presenchen Einzug halten könnte, fällt das Dorf mitsamt den Krügers, Beckmanns, Noacks und wie sie alle heißen der Braunkohleförderung anheim. Wie zuvor fügen sie sich auch diesmal in ihr Schicksal. Inkarnation des Opportunismus ist Bürgermeister Körner, der sich vom überzeugten Nazi zum eifrigen Kommunisten wandelt. Als das Radio am 17. Juni 1953 vom Aufstand der Bauarbeiter kündet, trennt er voreilig Hammer und Zirkel von der schwarzrotgoldenen Fahne. Seine Frau muß über Nacht das Emblem wieder annähen.
Dem gelernten Forstarbeiter Apelt, der später Germanistik und Geschichte studierte, haben viele Parteikollegen nicht zugetraut, ein Buch zu schreiben. Apelt wiederum versucht, seine beiden Leben als Politiker und Literat voneinander getrennt zu halten. Das betrieb er so konsequent, daß sein Lektor aus allen Wolken fiel, als er bei einer Lesung erfuhr, daß Apelt Politiker ist. Dorothee Winden
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