: Leichter ausweisen, besser integrieren
■ Italiens neues Einwanderungsgesetz beschleunigt Abschiebungen, bietet aber mehr Schutz für Bedürftige. Wer schon da ist, darf bleiben
Rom (taz) – Nach langem Hin und Her hat Italiens Senat am Donnerstag abend nach einer Marathonsitzung ein neues Einwanderungsgesetz gebilligt. Mit der Verkündung im Generalanzeiger tritt es schon kommende Woche in Kraft. Es verschärft und präzisiert die bisher bestehenden, oftmals höchst unklaren Normen des seit neun Jahren geltenden Vorgängergesetzes, bringt aber für viele Einwanderer auch ansehnliche Sicherheiten und Vorteile.
So erhält Daueraufenthaltsrecht, wer fünf Jahre im Land gemeldet ist. Schwangere Frauen, Kinder und Jugendliche können nicht ausgewiesen werden, auch wenn sie illegal eingereist sind. Wer im Land regulär arbeitet, kann nur nach einer Straftat des Landes verwiesen werden. In Sachen Gesundheitswesen und Sozialversicherung werden Zuwanderer mit italienischen Bürgern gleichgestellt. Und wer eine Wohnung braucht, hat ein Grundrecht darauf: Bei der Vergabe von Sozialwohnungen müssen Immigranten künftig in derselben Weise berücksichtigt werden wie Italiener.
Verschärft wird dagegen die Ausweisungspraxis. Wer ohne Genehmigung in Italien lebt, wird ausgewiesen. Kommt er oder sie in weniger als fünf Jahren illegal zurück, drohen bis zu einem halben Jahr Gefängnis und danach erneute Ausweisung. Die sofortige Abschiebung von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht, die vor allem die deutsche Bundesregierung gefordert hatte, wird es jedoch nicht geben: Wer das Land verlassen soll, erhält dafür nach wie vor fünfzehn Tage Zeit. Es sei denn, die Person steht unter Fluchtverdacht. Dann wird sie sofort an die Grenze gebracht. Oder wenn sie beabsichtigt, gegen die Ausweisung zu prozessieren: dann kommt die Person in neu dafür einzurichtende Abschiebelager.
Eine Neuheit ist die „Denunzianten-Klausel“: Wer illegal in Italien arbeitet und dabei erwischt wird, kann seinen Status legalisieren durch die Nennung seines illegalen Arbeitgebers. Diese Norm hat insofern Bedeutung, als häufig vor allem im kriminellen Untergrund Anzeigen gegen Menschenhändler oder Zuhälter nicht zu Verurteilungen führen, weil die Zeugen wegen ihres illegalen Status bereits vor der Gerichtsverhandlung ausgewiesen werden.
Geblieben ist die liberale Handhabung der Abschiebung: der oder die Betreffende wird lediglich an die Grenze oder in ein Land seiner Wahl gebracht, nicht aber in einen bestimmten Staat oder sein Heimatland. Ausgeschlossen allerdings ist die Weiterreise in andere EU-Staaten.
In Italien leben derzeit an die 1,3 Millionen gemeldeter Ausländer aus Nicht-EU-Staaten und etwa ebenso viele geschätzte Illegale. Das neue Gesetz sieht vor, daß nicht ausgewiesen wird, wer bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Land war – unter der Voraussetzung, daß er oder sie künftig den Meldepflichten nachkommt und nur noch reguläre Arbeit annimmt. Werner Raith
Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen